Als Avatar ins virtuelle Büro: Meetingkultur neu denken
Covid-19 hat unsere Besprechungskultur nachhaltig verändert: Um digitale Treffen spannender und interaktiver zu gestalten, setzen immer mehr Unternehmen auf virtuelle Büros. Experten klären auf, was möglich ist.

Was versteht man unter einem virtuellen Meetingraum?
Das Besondere an virtuellen Büroräumen ist die der Realität nachempfundene Interaktion im digitalen Raum: Mithilfe eines Avatars können sich Mitarbeiter im „Remote Workspace“ frei bewegen und aktiv auf andere Avatare (Mitarbeiter) zugehen. Durch eine physische Annäherung der Avatare öffnet sich ein Videochatfenster, rückt man vom Gesprächspartner räumlich ab, schließt sich das Fenster wieder. So können sich immer wieder neue und flexible Gesprächsgruppen bilden. Im Vergleich zu herkömmlichen Besprechungstools wie Zoom oder Skype ermöglichen solche virtuellen Meetingräume eine bessere soziale Interaktion.
Seit wann gibt es diesen Trend?
Auch wenn digitale Büros schon länger ein Begriff sind, hat die massive Digitalisierungswelle im Rahmen der Coronapandemie für einen Boom gesorgt. „Wir haben unser virtuelles Büro auch erst im Lockdown gebaut. Der Trend hin zu virtuellen Teams lässt sich aber seit einigen Jahrzehnten beobachten und ist mit New Work und dem Bedürfnis nach mehr Flexibilität gekommen“, so Paul Stanzenberger, Gründer und Geschäftsführer von „teamazing“, einem Grazer Unternehmen, das sich unter anderem auf Teamentwicklung und Remote Work spezialisiert hat.
Welche Plattformen sind die bekanntesten?
Zu den wohl bekanntesten Anbietern für virtuelle Büros zählen „Gather.town“, „Wonder.me“, „Mozilla Hubs“, „Meta Horizon Workrooms“ und „HyHyve“.
Welche Plattformen eignen sich für Einsteiger?
Mittlerweile gibt es eine Vielzahl an verschiedenen Anbietern mit den unterschiedlichsten Features. „Meiner Meinung nach ist ,Gather.town‘ eine sehr gute Lösung für Beginner. Jeder Mitarbeitende hat dort einen Avatar, mit dem man sich im virtuellen Büro frei bewegen kann. Stehen zwei oder mehrere Kollegen zusammen, öffnet sich ein Videofenster und man kann sich ungestört unterhalten. Meetings, Aktivitäten, Workshops, kurze Absprachen oder Flurgespräche lassen sich mit einer solchen Lösung ganz einfach aus dem echten ins virtuelle Büro übertragen“, so Stanzenberger.
Was sind die größten Vorteile von Remote Workspaces für Arbeitnehmer?
Als erstes sind ganz klar die offensichtlichsten Vorteile hervorzuheben: Flexibilität, Inklusion und eine effiziente Kommunikation. „Ich muss nicht für jede kurze Absprache ein Meeting ansetzen, kann schneller Entscheidungen treffen oder wichtige Informationen face-to-face weitergeben“, betont Stanzenberger. Abgesehen davon haben Kollegen trotz physischer Distanz dennoch das Gefühl, in „einem gemeinsamen Büro zu sitzen. Durch die Nutzung von Remote Workplaces konnten wir ein erhöhtes Leistungs- und Verantwortungsbewusstsein wahrnehmen. Mitarbeitende konzentrierten sich mehr auf den Output anstatt auf die Präsenzzeit, wodurch wir paradoxerweise auch eine Steigerung der Büro-Präsenzzeit verzeichnen konnten, da die zwischenmenschlichen Beziehungen durch ein virtuelles Büro gestärkt wurden“, so Stanzenberger.
Gibt es auch Vorteile für Arbeitgeber?
Sind Kultur und Kommunikation durch einen Remote Workspace vollständig digitalisiert, kann man ohne Effizienzverluste ortsunabhängig rekrutieren und zusammenarbeiten. „In Anbetracht des aktuellen Arbeitsmarktes, der Landflucht und hoher Reisekosten ist das Ausmaß dieses Wandels ein Game Changer“, so Stanzenberger. Somit können Unternehmen schneller und kostengünstiger expandieren oder demografische Vorteile für sich nutzen.

Gibt es auch Nachteile?
Abgesehen von der Tatsache, dass digitale Büros nicht für jede Branche geeignet sind, gilt die Implementierung als größte Herausforderung – „nicht die technische, sondern die kulturelle. Über alle Führungsebenen hinweg müssen Vorbilder aufgebaut und Arbeitsweisen angepasst werden“, so Stanzenberger. Außerdem können die Preise von Anbieter zu Anbieter stark variieren.
Sind Remote-Work-Alternativen auch in „Nicht-Lockdown-Zeiten“ beliebt?
Auch nach dem Lockdown ist Remote Work in nahezu allen Unternehmen zumindest teilweise geblieben. „Während der Pandemie wurde ausgiebig über die Zukunft der virtuellen Arbeit diskutiert, wodurch die Entwicklung beschleunigt wurde. Die heute implementierten Lösungen sind großteils noch immer jene, die beim ersten Lockdown eingeführt wurden. Dies führt jetzt leider zu hohen Kündigungsraten: Wer fühlt sich nach zwei Jahren MS Teams noch zum Unternehmen zugehörig?“, fragt Stanzenberger.
Was tut sich diesbezüglich in Zukunft?
Viele Zukunftsforscher gehen davon aus, dass es künftig kaum noch klassische Firmenstandorte gibt, stattdessen werden viele kleinere „Hubs“ in Städten entwickelt. „Sie sind freier gestaltet und bieten Raum für Kreativität, Innovation, Begegnung und reichlich Kommunikation. Dieses Modell findet bereits jetzt in der Tech-Branche Anklang“, so Stanzenberger. Abgesehen davon werden Unternehmen ihre zentralen Firmensitze weiter digitalisieren und zukünftig auf Augmented Reality setzen. „Ob das bereits in fünf oder doch erst in zehn Jahren möglich ist, wird sich zeigen. Die größten Unternehmen der Welt entwickeln hier auf Hochtouren und der nächste große Durchbruch ist nur eine Frage der Zeit“, so der Unternehmer.
Welche technischen Voraussetzungen braucht man für die Nutzung solcher remote Workplaces?
Die technischen Anforderungen und Kosten halten sich in Grenzen. Die Anforderungen sind erfüllt, wenn alle einen Laptop mit Mikrofon und Webcam besitzen. „Die Implementierung mit uns ist übrigens durch die Steirische Wirtschaftsförderungsgesellschaft mit einem 70-prozentigen Zuschuss gefördert“, so Stanzenberger.