Berit Baumann vor einer Prägepresse, mit der sie alte Lettern – vornehmlich in Leder – einprägen kann
© WKS/wildbild/Herbert Rohrer

Kunsthandwerk erlebt Renaissance

Berit Baumann ist mit ihren 26 Jahren Österreichs jüngste Buchbindermeisterin. Im vergangenen Sommer hat sie eine der ältesten Buchbindereien in Salzburg übernommen, weil sie diese vor dem Zusperren bewahren wollte.

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Aktualisiert am 05.08.2023

Bevor Sie Ihre Liebe zur Buchbinderei entdeckten, haben Sie eine ganz andere Ausbildung gemacht. Können Sie Ihren Weg kurz schildern?

Ja, ursprünglich habe ich an der HTL in Hallein den Zweig für Möbelbau und Innenraumausstattung absolviert, wo ich neben der theoretischen Ausbildung auch sehr viel in der Tischlerei mit dem Werkstoff Holz gearbeitet habe. 

Warum sind Sie nicht in diesem Metier geblieben?

Ich bin davon abgekommen, weil das Tischlerhandwerk zunehmend auch in der Industrie verhaftet ist. Das ist mir schon bei der Arbeitssuche aufgefallen. Das liegt mir nicht so sehr. Ich wollte mich eher mit individuellen Produkten beschäftigen, die in kleineren Auflagen hergestellt werden.  

Was hat Sie zur Buchbinderei geführt?

Der Zufall wollte es, dass ich in meiner Findungsphase eine Stellenausschreibung für eine Buchbinderlehre entdeckt habe. Ich war ganz verwundert, dass man in diesem Metier tatsächlich noch eine Lehre machen kann. Da diese Position bereits vergeben war, habe ich mich dort und da beworben. Schlussendlich bekam ich in der Buchbinderei Fuchs in Saalfelden die Möglichkeit, eine Lehre zu absolvieren. Durch meinen HTL-Abschluss hatte ich eine verkürzte Lehrzeit von zwei Jahren.  

Was fasziniert Sie an der Buchbinderei?

Das Schöne daran ist, dass es sich um ein sehr altes Handwerk handelt, bei dem sehr viel Wissen und Entwicklung dahintersteckt. Das ist für mich sehr spannend, wie auch das Arbeiten mit sehr edlen Werkstoffen wie Papier, Leder und Leinen.

Ich möchte das Wissen der Buchbinderei weitergeben.

War es für Sie nach der Lehre klar, dass Sie sich einmal selbstständig machen wollen?

Eigentlich nicht. Ich war mir aber zu 100 Prozent sicher, dass dies der Beruf ist, in dem ich bleiben möchte. Ich habe mich auch im Lehrbetrieb sehr wohlgefühlt, in dem mir sukzessive mehr Verantwortung übertragen wurde. 

Wie kamen Sie darauf, diese Buchbinderei zu übernehmen?

Im Sommer 2021 ist mir zu Ohren gekommen, dass meine Vorgänger, die Familie Gleichweit-Strasser, nach einem Nachfolger suchen. Da hat sich in mir was aufgetan, das ich zunächst nicht so wahrgenommen habe. Irgendwann war dann der Moment gekommen, wo ich das nötige Selbstvertrauen aufgebaut habe und ich zur Erkenntnis kam, dass ich den Traditionsbetrieb, dessen Geschichte auf die Buchbinderei Sonnleitner im Jahre 1898 zurückgeht, in der Hubert-Sattler-Gasse übernehmen möchte. Das war ein großes Glück, eine komplett eingerichtete Werkstätte übernehmen zu können. Ausgestattet mit einem guten Lager an Materialien und Maschinen sowie einen Kundenstamm, von denen alle wieder zu mir kommen und die sich mit mir freuen, dass ich den Betrieb im Sommer 2022 übernommen habe. 

Berit Baumann ist froh, eine intakte Buchbinderei samt Maschinen und Materiallager übernommen zu haben.
© WKS/wildbild/Rohrer Berit Baumann ist froh, eine intakte Buchbinderei samt Maschinen und Materiallager übernommen zu haben.

Wie fühlten Sie sich am ersten Arbeitstag in der eigenen Buchbinderei?

Das war alles sehr aufregend. Es ging alles sehr schnell. Am Freitag war mein letzter Arbeitstag in Saalfelden, am Montag darauf habe ich hier aufgesperrt. Die ersten Monate waren sehr anstrengend, da ich mich parallel zu den unternehmerischen Agenden auf die Meisterprüfung vorzubereiten hatte. 

Was ist Ihnen besonders wichtig?

Es geht mir darum, das Wissen dieses Handwerks weiterzugeben. Obgleich es schriftliche Quellen gibt, lernt man ein Handwerk nur beim Tun. Das muss einem gezeigt werden. 

Welche Leistungen bieten Sie an?

In der Regel binden wir neues Druckwerk wie Diplomarbeiten, Gästebücher, Sammel- und Zeitschriften, aber auch Fotoalben oder Familienchroniken für spezielle Anlässe. Der Einband bietet viele kreative Möglichkeiten. Neben der Wahl und Farbe der Materialien, wie zum Beispiel Leinen und Kunstleder, geben Prägungen dem Einband das gewisse Etwas. Ich bin sehr dankbar, dass ich die alten Druckformen – die sogenannten Klischees – vom Vorgänger übernehmen durfte. Darunter finden sich Schriftzeichen und verschiedene Muster wie Ornamente, Linien und Ecken. Aber auch die Reparatur von alten Büchern fällt in unseren Aufgabenbereich. 

Was braucht es, um im Handwerk erfolgreich zu sein?

Die Liebe zur Arbeit und zum Material, aber natürlich auch handwerkliches Geschick. Wichtig ist, sich auf die Kund:innen  einzulassen und spüren, was diese wollen, zu beobachten, in welche Richtung sich das Leben verändert und weiterentwickelt. Ich höre sehr oft, dass die Buchbinderei ein aussterbender Beruf ist. Meiner Meinung nach stimmt das nicht. Er verändert sich nur. Und Handwerk funktioniert nur, wenn man Flexibilität aufbringt, das Gefühl dafür hat, zu erkennen, was kommt, und zu beobachten, was gesellschaftlich passiert.

Was orten Sie in der Gesellschaft?

Es herrscht reges Interesse daran, wie etwas gemacht wird, und dahingehend, dass es lokal und nachhaltig produziert wird. Dass das Gekaufte kein Massenprodukt, sondern ein Unikat ist. Ja, man kann sagen, dass das Kunsthandwerk, und die Buchbinderei im Speziellen, eine Renaissance erlebt, weil sich die Wertigkeiten gerade verschieben. Natürlich gibt es diesen Trend auch in die andere Richtung, dass alles immer billiger werden muss. Aber es gibt genügend Leute, die das Gegenteil bevorzugen und dadurch altes Handwerk neu aufleben lassen.