220GRAD: Den Spirit mitgestalten
Zum trendigen Markenauftritt gehört auch eine außergewöhnliche Employer-Branding-Strategie. Die Macheiners sind sich sicher, dass „Kaffee“ ein Erlebnis für Gäste und Mitarbeiter:innen gleichermaßen bedeutet. Eine New-Work-Philosophie tut sich damit auf, der Christian Holzer für die SW im WorkVision-Interview nachgegangen ist.

Drei Kaffeehäuser, das erste 2008 eröffnet, und eine Rösterei, 36 Mitarbeiter:innen, haben binnen kurzer Zeit in der Stadt Salzburg Kultstatus erreicht. „In unserem Fokus steht der Kaffee“, sagt Katharina Macheiner, eine der vier Familien-Geschäftsführer:innen. Sie hat Design- und Produktmanagement an der FH in Kuchl studiert und ist unmittelbar nach dem Studium ins Familienunternehmen eingestiegen, seit 2015 in Vollzeit.
In der Gastronomie wird derzeit händeringend Personal gesucht. Ihr hattet allerdings schon vor den Pandemie-Jahren eine eigene Recruiting-Strategie verfolgt?
Die Leute, die mit uns arbeiten, sind teilweise lange im Unternehmen. Wir haben einen guten Draht zueinander. Wenn sich Leute bei uns melden, wollen wir sie kennenlernen. Wir klären Bedürfnisse ab und nähern uns langsam an. Eine Beziehung entsteht. Wir ziehen Menschen an, die als Gäste sehen, wie wir arbeiten. Es gibt Mitarbeiter:innen, die mit uns erwachsen geworden sind. Etwa, wenn jemand als Schulabbrecher zu uns gekommen ist und immer noch da ist. Nach außen gerichtet, lassen wir unsere Mitarbeiter:innen über Social-Media-Kanäle zum Flair in der Arbeit zu Wort kommen.
Muss man im 220GRAD Fachkenntnisse mitbringen?
Wir haben einen bunten Mix aus Menschen vom Fach und Quereinsteiger:innen. Die meisten, die bei uns fachlichen Background haben, sind allerdings vorher aus bestimmten Gründen aus der Gastronomie ausgestiegen. Das geht bis dahin, dass Menschen Burn-out hatten. Wir sind in der Lage, Personal an uns zu binden, das Spaß am Beruf hat, aber aus der herkömmlichen Form des Arbeitens und Zusammenarbeitens die Freude am Beruf schon verloren hatte. Die Gastronomie erhält über uns somit eine zweite Chance.
Welche Erklärung hast du, dass rund um das 220GRAD eine Aura des Vertrauens entstanden ist?
Leute sind gute Beobachter. Sie finden unsere gute Arbeitsatmosphäre attraktiv. Für uns ist dieser Vertrauensvorschuss Auftrag, auch passende Arbeitsplätze zu kreieren. Wir bieten Gestaltungsfreiheiten bei klaren Rahmenbedingungen, die auch Urlaubssperren zu Spitzenzeiten beinhalten. Wenn ein Papa am Dienstag Kinderbetreuung machen möchte, dann kann er das bei einer 40-Stunden-Woche machen. Mütter, die Kinder im Kindergarten haben, brauchen wieder andere Arbeitszeiten für z. B. ihren 30-Stunden-Job. Wir haben auch Studierende und Leute, die bei uns als Zusatzjob arbeiten. Wir berücksichtigen zusätzlich Bedürfnisse für eine ausgeglichene, persönliche Energiebilanz: z. B. Dauer der Tagesarbeitszeit. All das wird bei uns beherzigt. Wir wären sehr dumm, gute Mitarbeiter:innen abzulehnen, weil wir diese Koordinationsleistung nicht erbringen können.
Vom Gast gleich zum Mitarbeiter?
Ich kenne die genauen Zahlen nicht. Allerdings schätze ich die Situation so ein, dass 80% unserer Mitarbeiter:innen unsere Gäste gewesen sind. Die Leute entscheiden sich für uns und nicht für einen Kellnerjob. Klassische Jobausschreibungen machen wir nicht. Wenn man sich bei uns bewirbt, muss man sich auch für uns interessieren. Ich wurde in dieser Hinsicht von meinem Elternhaus geprägt. Meine Eltern stammen aus dem Lungau, sie sind Bauernhofkinder. Bei uns in der Familie zählt Vertrauen, Arbeiten mit Ernsthaftigkeit durchzuführen und sie zu Ende zu bringen. Gleichzeitig sind meine Eltern Vordenker und sehr weltoffen. Diese Kombination habe auch ich in mir. Und diese Kombination aus Leidenschaft und Ernsthaftigkeit sieht man auch bei unseren Mitarbeiter:innen. Das passt zusammen, so ticken wir alle. Es gibt kein Blenden, uns ist nichts einfach egal.
Wie ist denn die Familie Macheiner zum Kaffee gekommen?
Kaffee ist ein wunderbares Trägermaterial für eine Firma. Mein Vater wollte sich aus einer Managementposition noch einmal umorientieren. Kaffee ist ein spannendes, wachsendes Produkt aus der Welt der Lebensmittel, aus der mein Vater viel Erfahrung mitbrachte. Kaffee hat zudem viel mit Kultur zu tun und benötigt internationale Zusammenarbeit. Wir haben Kontakte zu Bauern und Lieferanten, die Ernte-, Produktions- und Logistikexperten sind und wiederum ähnliche Denkweisen haben wie wir, die rösten und verkaufen. Meine erste Kaffeereise mit der ganzen Familie war der Startschuss dafür, mich für unsere Firma zu entscheiden. Wir sind nach Nicaragua gefahren und sind dort auf einen Produzenten getroffen, dem unser Familiensinn gefallen hat. Darauf haben wir eine Geschäftsbeziehung aufgebaut. Werte wie Vertrauen, Ernsthaftigkeit und gute soziale Beziehungen sind auf der ganzen Welt gleich: Eine runde Sache, die wir mit Kooperationspartnern in mehreren Ländern pflegen.
„Gleiche dich der Frequenz der Realität an, die du möchtest, und du kreierst diese Realität.“ Heißt das, alles ist gestaltbar?
Das Ende des Zitats lautet: „… es ist keine Philosophie, es ist Physik.“ Das Zitat stammt von Albert Einstein. Es bedeutet: Wenn du etwas anderes haben möchtest, dann mach es. Die Welt, die du erhoffst, bist du. In der Physik gibt es ausschließlich Fakten und somit ist es auch ein Faktum, dass Realität gestaltbar ist. Wir sehen uns alle als Macher. Aktiv am Leben teilnehmen und ihm Form verleihen. Wir entwickeln als Eigentümer, aber auch unsere Mitarbeiter:innen müssen für das gesamte Team und die Firma mitdenken. Das Projekt gelingt nur, wenn es als Ganzes gelingt. Das ist maßgeblich für unseren wirtschaftlichen Erfolg.