Sujet EU Panorama
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WKÖ EU-Wirtschaftspanorama 15/2023

Ausgabe 28. April 2023

Lesedauer: 9 Minuten

Aktualisiert am 05.08.2023

Inhaltsübersicht



Im Brennpunkt


Fiskalreform soll mehr Spielraum beim Schuldenabbau bringen

Europäisches Parlament
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Die Europäische Kommission hat diese Woche ihren lang erwarteten Vorschlag zur Überarbeitung des Stabilitäts- und Wachstumspakts präsentiert. Demnach sollen die einzelnen Mitgliedstaaten künftig mehr Flexibilität beim Abbau ihrer Schuldenstände erhalten und gleichzeitig mehr Anreize für Investitionen in zukunftsträchtige Felder geboten bekommen. Mehr Flexibilität bedeutet allerdings nicht, dass sich die beiden Kerngrößen ändern. Die jährliche Neuverschuldung soll nämlich weiterhin weniger als drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen, während der Gesamtschuldenstand bei höchstens 60 Prozent liegen soll. 

Vielmehr sieht der Reformvorschlag der Kommission vor, dass beim Schuldenabbau keine einheitlichen Regeln für alle Mitgliedstaaten gleichermaßen gelten sollen, sondern individuelle Abbaupfade ausverhandelt werden. Übermäßig verschuldete Länder sollen künftig vier Jahre Zeit bekommen, um entlang eines länderspezifischen Abbaupfads ihr Defizit in den Griff zu bekommen. Bei grünen und digitalen Reformvorhaben und Investitionsplänen verlängert sich der gewährte Zeitraum auf sieben Jahre. Beträgt das jährliche Defizit weiterhin mehr als drei Prozent, wird ein Defizitverfahren eingeleitet. 

Der Vorstellung des Reformvorschlags war eine umfassende Diskussion der Finanzminister vorausgegangen. Nun fordert die Kommission den Rat und das Parlament zu einer zügigen Einigung auf und drängt auf eine formelle Verabschiedung noch vor dem Ende der laufenden Legislaturperiode. Ob dies allerdings gelingt, ist fraglich angesichts der kritischen Haltung mancher Mitgliedstaaten, allen voran Deutschland. Aus Sicht der Wirtschaft sind solide Finanzen und ein stabiler öffentlicher Haushalt wichtige Rahmenbedingungen für eine attraktive Standortpolitik. Dementsprechend ist das verlässliche Einhalten geltender Vorschriften und eine wirksame Kontrolle für die Gewährleistung einer langfristigen Schuldentragfähigkeit von großer Bedeutung. 

Ansprechpartnerin: Olimpia Caetani


Unternehmertum & Industriepolitik


Arzneimittelreform soll Versorgung einfacher und günstiger machen

Die Kommission hat eine Überarbeitung des europäischen Arzneimittelrechts präsentiert und will damit den gesetzlichen Rahmen flexibler und dynamischer gestalten. Dadurch erhofft sie sich eine verbesserte Versorgung mit Medikamenten, einen leichteren Zugang zu ihnen und erschwinglichere Preise. Die Reform soll die Innovationstätigkeit unterstützen, die Wettbewerbsfähigkeit und Attraktivität der EU-Arzneimittelindustrie steigern und gleichzeitig höhere Umweltstandards fördern.  

Zusätzlich dazu schlägt die Kommission eine Empfehlung des Rates für eine intensivierte Bekämpfung antimikrobieller Resistenzen (AMR) vor. Diese gelten als eine der drei größten Gesundheitsgefahren in der Europäischen Union. Der Vorschlag unterstützt einen umsichtigen und reduzierten Einsatz antimikrobieller Mittel, um die Wirksamkeit dieser Arzneimittel bestmöglich zu erhalten. Rat und Parlament werden die vorgeschlagene Reform zeitnah erörtern. 

Ansprechpartnerin: Katja Schager


Binnenmarkt


Makrofinanzhilfe: EU überweist nächste Tranche an die Ukraine

Europäisches Parlament
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Die Europäische Kommission hat diese Woche ihre dritte Tranche in der Höhe von 1,5 Milliarden Euro an die Ukraine überwiesen. Diese ist Teil der für heuer vorgesehenen Makrofinanzhilfe von insgesamt 18 Milliarden Euro und soll den unmittelbaren Finanzierungsbedarf der Ukraine decken. Erklärtes Ziel ist die Gewährleistung der makropolitischen Stabilität des Landes, das seit nunmehr über einem Jahr einem brutalen Angriffskrieg von Russland ausgesetzt ist. Mit den EU-Geldern sollen Gehälter und Renten weitergezahlt werden sowie der Schutz von kritischer Infrastruktur und der Betrieb von öffentlichen Dienstleistern wie Krankenhäusern oder Schulen sichergestellt werden.


Bei den zur Verfügung gestellten Geldern handelt es sich um finanzielle Mittel, die die Kommission zu günstigen Bedingungen auf den Kapitalmärkten aufnimmt und als langfristige Darlehen an die Ukraine weitergibt. Die Ukraine verpflichtet sich zu einer transparenten und effizienten Verwendung der Mittel sowie zu Fortschritten bei der Umsetzung von vereinbarten politischen Bedingungen wie etwa im Bereich der Rechtsstaatlichkeit. Die EU und ihre Mitgliedstaaten haben der Ukraine seit dem Ausbruch des Krieges bereits 68 Milliarden Euro in Form von finanzieller, humanitärer, haushaltspolitischer und militärischer Unterstützung bereitgestellt. 

Ansprechpartner: Sebastian Köberl


Kompetenzpartnerschaft für Langzeitpflege gestartet

Europäisches Kommission
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Mit Unterstützung der Europäischen Kommission haben Langzeitpflegedienstleister, Sozialpartner und Anbieter von Aus- und Weiterbildungen eine umfassende Kompetenzpartnerschaft für den Langzeitpflegesektor gestartet. Die Verbesserung der Karrieremöglichkeiten und der Qualität der Pflege sowie die Attraktivierung der Langzeitpflege gehören zu den erklärten Zielen der Initiative. Gemeinsam wollen die Partner bis 2030 jährlich mindestens sechs von zehn Langzeitpflegekräfte weiterbilden, wovon rund 3,8 Millionen Beschäftigte profitieren könnten. 

Der Fokus der geplanten Schulungen liegt auf digitalen Kompetenzen und der personenbezogenen Pflege. Wegen des demografischen Wandels und des damit einhergehenden Anstiegs der Lebenserwartung werden Berechnungen zufolge bis zum Jahr 2050 circa 1,6 Millionen zusätzliche Pflegekräfte benötigt. 

Ansprechpartner: Peter Dohr


Nachhaltigkeit


EU und Norwegen schmieden grüne Allianz

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Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Norwegens Premier Jonas Gahr Støre haben diese Woche mit ihrer Unterschrift eine neue Allianz bei Klima-, Umwelt- und Energiefragen besiegelt. Beide Seiten verfolgen dieselben Ziele: Sie wollen den Ausstoß von Treibhausgasen bis 2030 gegenüber 1990 um 55 Prozent reduzieren und bis zum Jahr 2050 klimaneutral sein. Im Mittelpunkt der bilateralen Vereinbarung stehen eine Reihe von strategischen Kooperationen. 

Zu diesen Kooperationen zählt unter anderem die verstärkte Zusammenarbeit beim Abbau von Kohlenstoffdioxid, bei der Eindämmung des Verlustes der biologischen Vielfalt, bei der Transformation der Industrie, der Dekarbonisierung des Verkehrssektors und der Förderung von Forschung, Bildung und Innovation sowie eines nachhaltigen Finanzwesens. Kurzum, beide Parteien wollen eine Angleichung ihrer nationalen und internationalen Klimapolitik sicherstellen.

Ansprechpartnerin: Sophia Yehdegho


Kurz & bündig


Digital Services Act: Kommission veröffentlicht „Gatekeeper“-Liste

Die Europäische Kommission hat im Rahmen des Digital Services Act erstmals sogenannte „Gatekeeper“ benannt. Damit sind sehr große digitale Plattformen und Online-Suchmaschinen gemeint. Unter den 19 Genannten findet man bekannte Namen wie Instagram, Twitter, Facebook, Amazon, Google, Wikipedia, YouTube und Booking. Die Kommission teilte mit, dass die Liste in den kommenden Monaten noch erweitert werden soll. Dabei wird es auch darum gehen, die Berechnungsmethodik zu verbessern und den Anwendungsbereich zu klären. Außerdem müssen jüngste Entwicklungen und Einsatzmöglichkeiten von Systemen künstlicher Intelligenz (Stichwort: ChatGPT) berücksichtigt werden.


Gleichwertigkeit von Ökoprofit und EMAS: Kommission bittet um Rückmeldungen

Das EU-System für Umweltmanagement und Umweltbetriebsprüfung (EMAS) ist ein von der Kommission entwickeltes freiwilliges Umweltmanagementinstrument. Um die Umsetzung von EMAS zu erleichtern und Überschneidungen mit bestehenden Praktiken und Verfahren auf der Grundlage anderer Umweltmanagementsysteme zu vermeiden, kann die Kommission andere Systeme oder Teile davon als dem EMAS gleichwertig anerkennen. Da Österreich einen Antrag auf Anerkennung des Ökoprofitsystems gestellt hat, prüft die Kommission derzeit dessen Gleichwertigkeit. Rückmeldungen zum Entwurf des Durchführungsbeschlusses sind bis 22. Mai 2023 möglich.


„Fit for 55“: Rat verabschiedet Rechtsakte zur Erreichung der Klimaziele

Nach dem Parlament hat diese Woche der Rat fünf Gesetze verabschiedet, um die Treibhausgasemissionen in Wirtschaftssektoren zu senken und gleichzeitig gefährdete Personen und Kleinstunternehmen sowie Sektoren mit hohem Risiko von „Carbon Leakage“ beim grünen Übergang wirksam zu unterstützen. Die Gesetze sind Teil des "Fit for 55"-Pakets, um die Netto-Treibhausgasemissionen in der Europäischen Union bis 2030 um mindestens 55 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 zu senken und 2050 Klimaneutralität zu erreichen. Die Abstimmung im Rat ist der letzte Schritt des Entscheidungsverfahrens, das EU-Parlament hat bereits vergangene Woche zugestimmt.


Jobs+Jobs+Jobs


EUROJUST sucht National Desk Assistant

Die Europäische Einheit für justizielle Zusammenarbeit (Eurojust) mit Sitz in Den Haag sucht:

  • National Desk Assistant (m/w/d)
    Contrary Agent, Grade: FG III, Reference: 23/EJ/02, Deadline for applications: 04/05/2023

Weitere Informationen sind online abrufbar.


EBA sucht Communication Specialist 

Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) mit Sitz in Paris sucht:

  • Communication Specialist (m/w/d)
    Contrary Agent, Grade: FG IV, Reference: GEA CA-06-2023, Deadline for applications: 15/05/2023

Weitere Informationen sind online abrufbar.


EMSA sucht Project Officer 

Die Europäische Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs (EMSA) mit Sitz in Lissabon sucht:

  • Project Officer (m/w/d)
    Contrary Agent, Grade: FG IV, Reference: EMSA/CA/2023/01, Deadline for applications: 11/05/2023

Weitere Informationen sind online abrufbar.


EUSPA sucht Cyber and Risk Security Engineer 

Die Agentur der Europäischen Union für das Weltraumprogramm (EUSPA) mit Sitz in Prag sucht:

  • Cyber and Risk Security Engineer (m/w/d)
    Temporary Agent, Grade: AD 6, Reference: EUSPA/2023/AD/010, Deadline for applications: 11/05/2023

Weitere Informationen sind online abrufbar.


EUSPA sucht Human Resources Data & Processes Officer 

Die Agentur der Europäischen Union für das Weltraumprogramm (EUSPA) mit Sitz in Prag sucht:

  • Human Resources Data & Processes Officer (m/w/d)
    Temporary Agent, Grade: AD 7, Reference: EUSPA/2023/AD/011, Deadline for applications: 11/05/2023

Weitere Informationen sind online abrufbar.


EU-Agenda


Sitzung der Europäischen Kommission  

3. Mai  

  • Akt zur Unterstützung der Munitionsproduktion 
  • Empfehlung zur Piraterie von Live-Inhalten 
  • Festlegung eines Sanktionsrahmens für Korruption 
  • Aktualisierung des Rechtsrahmens zur Korruptionsbekämpfung 

Ausgewählte Tagungen des Rates  

3. - 4. Mai 

4. Mai 


Ausgewählte Fälle des Europäischen Gerichtshofes  

Donnerstag, 4. Mai 2023 

Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache C-300/21 Österreichische Post (Immaterieller Schaden im Zusammenhang mit der Verarbeitung personenbezogener Daten) 

Voraussetzungen für Schadensersatz bei unzulässiger Datenverarbeitung 

Die österreichische Post hat im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit als Adresshändlerin Informationen zu den Parteiaffinitäten der gesamten österreichischen Bevölkerung erhoben.  

Ein von dieser Datenverarbeitung Betroffener verlangt von der österreichischen Post immateriellen Schadensersatz in Höhe von 1000 Euro, weil sie ihm eine hohe Affinität zur FPÖ zugeschrieben habe. Die Daten des Betroffenen hatte die Post zwar verarbeitet, jedoch nicht an Dritte weitergegeben.   

Der mit dem Rechtsstreit befasste Oberste Gerichtshof möchte vom EuGH insbesondere wissen, ob der Zuspruch von Schadensersatz nach der Datenschutz-Grundverordnung zusätzlich zu einer Verletzung von Bestimmungen der Verordnung auch erfordert, dass der Betroffene einen Schaden erlitten hat. Generalanwalt Campos Sánchez-Bordona hat das in seinen Schlussanträgen bejaht.  

Weitere Informationen 


Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache C-487/21 Österreichische Datenschutzbehörde und CRIF 

Umfang des Auskunftsrechts über personenbezogene Daten 

Ein Betroffener hat bei der österreichischen Kreditauskunftei CRIF die Übersendung einer Kopie der zu seiner Person verarbeiteten Daten angefordert. Die CRIF erteilte teilweise die angeforderten Auskünfte, Unterlagen wie E-Mails oder Datenbankausdrucke wurden jedoch nicht übermittelt. Der Betroffene bringt vor, dass die in der DGSVO genannte „Kopie der Daten“ auch E-Mails und Datenbankauszüge inklusive allfälliger Freitextfelder meine, die personenbezogene Daten beinhalten würden.    

Das österreichische Bundesverwaltungsgericht hat dem Gerichtshof eine Reihe von Fragen zur Auslegung der DGSVO gestellt. 

Generalanwalt Pitruzzella hat in seinen Schlussanträgen u.a. Ansicht vertreten, dass der Begriff „Kopie“ als eine getreue Wiedergabe der angeforderten personenbezogenen Daten in verständlicher Form zu verstehen sei. 

Weitere Informationen 


Schlussanträge des Generalanwalts am Gerichtshof in der Rechtssache C‑319/22 Gesamtverband Autoteile-Handel 

Zugang zu Kfz-Reparatur- und Wartungsinformationen 

Der deutsche Gesamtverband Autoteile-Handel ist der Auffassung, der schwedische Nutzfahrzeughersteller Scania habe gegen EU-Marktverhaltensregeln verstoßen, indem er keinen maschinenlesbaren und elektronisch verarbeitbaren Zugang - sondern nur einen manuellen - zu Informationen über die Reparatur und Wartung bereitstelle. Scania ist der Ansicht, nur einen manuellen Zugang bereitstellen zu müssen, der auf der Webseite eine manuelle Recherche durch einen menschlichen Nutzer am Bildschirm ermöglicht und das Abfrageergebnis auf den sichtbaren Inhalt von Bildschirmseiten beschränkt.   

Das Landgericht Köln hat den Gerichtshof hierzu um Vorabentscheidung ersucht 

Generalanwalt Campos Sánchez-Bordona legt am 4. Mai seine Schlussanträge vor. 

Weitere Informationen 


Schlussanträge des Generalanwalts am Gerichtshof in der Rechtssache C‑206/22 Sparkasse Südpfalz 

Quarantänepflicht während des Urlaubs  

Ein Arbeitnehmer der Sparkasse Südpfalz musste im Kontext der Covid-19-Pandemie während seines Urlaubs unerwartet in Quarantäne.  

Das Arbeitsgericht Ludwigshafen am Rhein möchte vom Gerichtshof wissen, ob das Unionsrecht dem entgegensteht, dass der Urlaubsanspruch auch dann als verbraucht gilt, wenn der Arbeitnehmer während eines genehmigten Urlaubs von einem unvorhersehbaren Ereignis (Quarantäne) betroffen ist.    

Generalanwalt Pikamäe legt am 4. Mai seine Schlussanträge vor. 

Weitere Informationen 


Ausgewählte laufende Konsultationen   

Allgemeine und berufliche Bildung  

Beschäftigung und Soziales 



REDAKTION: 
Franziska Annerl, Franziska.Annerl@eu.austria.be, EU Representation der WKÖ

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