Sujet EU Panorama
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WKÖ EU-Wirtschaftspanorama 21/2022

Ausgabe 17.6 2022

Lesedauer: 10 Minuten

Aktualisiert am 22.09.2023

Inhaltsübersicht



Im Brennpunkt


EU startet Vertragsverletzungsverfahren gegen Vereinigtes Königreich

Vertragsverletzungsverfahren gegen Vereinigtes Königreich
© European Union 2022

Die Europäische Kommission hat das Vertragsverletzungsverfahren gegen das Vereinigte Königreich wegen Nichteinhaltung wesentlicher Teile des Protokolls zu Irland/Nordirland wiederaufgenommen und zwei weitere Verfahren eingeleitet. Die britische Regierung hat das Protokoll noch immer nicht vollständig umgesetzt. Sie schafft nun sogar die gesetzliche Basis, das Nordirlandprotokoll zur Gänze auszuhöhlen. Dies ist ein klarer Verstoß gegen internationales Recht. Die britische Regierung sollte das Protokoll in einer Reihe von Schlüsselbereichen ordnungsgemäß umsetzen.

So hat London seine Verpflichtungen gemäß den gesundheitspolizeilichen und pflanzenschutzrechtlichen Vorschriften (SPS) der EU nicht erfüllt. Insbesondere das Vereinigte Königreich führt an den nordirischen Grenzen nicht die erforderlichen Kontrollen durch. Ein weiteres Verfahren behandelt das Versäumnis, der EU bestimmte Handelsstatistikdaten in Bezug auf Nordirland zur Verfügung zu stellen.

Übergeordnetes Ziel der EU-Kommission bleibt es, im Rahmen des Protokolls gemeinsame Lösungen mit dem Vereinigten Königreich zu finden. Sie hat neue Positionspapiere zu Zoll- und Gesundheits- und Pflanzenschutzfragen vorgelegt, um den Warenverkehr zwischen Großbritannien und Nordirland zu erleichtern. Die Europäische Union strebt eine positive und stabile Beziehung zum Vereinigten Königreich an. Diese Beziehung muss auf der uneingeschränkten Einhaltung des Handels- und Kooperationsabkommens beruhen. Denn beide Parteien haben das Abkommen ausgehandelt, vereinbart und ratifiziert.

Das Ausscheiden des Vereinigten Königreichs aus Binnenmarkt, Zollunion und harmonisiertem Umsatzsteuergebiet hat direkte Folgen für österreichische Firmen mit Kunden und Geschäftspartnern in Großbritannien oder Nordirland. Die wichtigsten Themenbereiche, die österreichische Unternehmen in diesem Zusammenhang aktuell beschäftigen, hat die WKÖ inklusive weiterführender Informationen zusammengefasst.

Ansprechpartnerin: Franziska Annerl


Unternehmertum & Industriepolitik


Jürgen Roth als Vizepräsident des europäischen Handelsverbandes EuroCommerce bestätigt

Portrait Jürgen Roth
© WKÖ, Kurt Reinhart

Jürgen Roth wurde in der Vorstandssitzung am 15. Juni 2022 von EuroCommerce-Präsident Juan Manuel Morales ein weiteres Mal in die Führungsspitze des europäischen Handelsdachverbandes EuroCommerce nominiert. Auf den Unternehmer aus der Steiermark warten damit einige Herausforderungen, denn der europäische Handel befindet sich in turbulenten Zeiten: Inflation, Schwierigkeiten bei den Lieferketten, Rohstoffmangel und die Energiekrise sind europaweit erschwerende Rahmenbedingungen für den Handel. 

„Jürgen Roth hat sich in der Vergangenheit für die Interessen des Handels auf europäischer Ebene eingesetzt und wird dies auch in Zukunft tun. Er ist Mitglied des EWSA (Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss) und leitet bei EuroCommerce seit kurzem die neu eingerichtete Energy-Task-Force, die sich mit der aktuellen Energiekrise und deren Auswirkungen auf den Sektor beschäftigt“, freut sich Rainer Trefelik, Obmann der Bundessparte Handel in der WKÖ, über die starke Vertretung des österreichischen Handels in Europa.

EuroCommerce, der Dachverband des europäischen Handels, vertritt auf EU-Ebene 6 Millionen Handelsunternehmen aller Größen aus den Bereichen Groß- und Einzelhandel. Dem Dachverband gehören nationale Handelsverbände aus 31 europäischen Ländern, europäische und nationale Interessenvertreter spezifischer Sparten des Handels sowie einzelne Unternehmen an. Die Wirtschaftskammerorganisation war 1993 maßgeblich an der Gründung von EuroCommerce beteiligt. Sowohl die Bundessparte Handel als auch das Bundesgremium des Außenhandels sind EuroCommerce-Mitglieder. EuroCommerce ist auch ein anerkannter Sozialpartner, der am europäischen sozialen Dialog aktiv teilnimmt.

Ansprechpartnerin: Verena Martelanz


Binnenmarkt


Gute Nachricht auch für die heimische Wirtschaft: Kroatien zahlt bald mit dem Euro

500-Euro-Banknoten
© pixabay, geralt

Die Wirtschafts- und Finanzminister haben Kroatien einen weiteren Schritt in Richtung Eurozone ermöglicht: Eine Empfehlung zur Einführung des Euro durch Kroatien mit 1. Januar 2023 wurde angenommen. Der Rat folgt damit dem Konvergenzbericht 2022 der EU-Kommission. Ein Schreiben an den Europäischen Rat zur Erweiterung des Euro-Währungsgebiets wurde ebenso abgesegnet. Damit erhöht sich die Zahl der Mitgliedstaaten des Euroraums auf zwanzig.

Kroatien hat die Aufnahmeprüfung bestanden. Auch für die heimische Wirtschaft ist dies eine gute Nachricht: Mit einem bilateralen Außenhandelsvolumen von knapp 2 Milliarden Euro und einem Dienstleistungsaustausch von rund 1,8 Milliarden Euro sind Kroatien und Österreich wirtschaftlich stark verflochten. Österreich ist zweitgrößter Investor in Kroatien. Niederlassungen heimischer Firmen sind in allen Branchen präsent. Die österreichischen Direktinvestitionen in Kroatien erreichten Ende 2021 rund 5 Milliarden Euro. Chancen für österreichische Unternehmen bieten sich in praktisch allen Bereichen.

Der Rat wird in der ersten Julihälfte nach den Beratungen in Eurogruppe und Europäischem Rat sowie nach der Stellungnahme des Europäischen Parlaments und der EZB die endgültige Entscheidung über die Einführung des Euro in Kroatien fällen.

Ansprechpartnerin: Franziska Annerl


EU-Kommission präsentiert Leitlinien für raschen Zugang zu Beschäftigung und Bildung für aus der Ukraine Vertriebene

Ein Mann vor Mikrofon
© European Union 2022

Seit Ausbruch des Ukrainekriegs sind mehr als 7 Millionen Menschen aus der Ukraine in die EU geflohen. Bisher sind nur relativ wenige Personen im erwerbsfähigen Alter in den EU-Arbeitsmarkt eingetreten. Die WKÖ bekennt sich zur vollen Unterstützung für Vertriebene aus der Ukraine. Dazu zählt auch, dass keine unnötigen Hürden am Arbeitsmarkt aufgestellt werden. Eine rasche und unbürokratische Arbeitsmarktintegration ist sowohl im Sinne der Vertriebenen als auch im Sinne der heimischen Betriebe, die unter massivem Fachkräftemangel leiden.

Mit den Leitlinien fordert die Kommission die Mitgliedstaaten auf, Informationen über Unterstützungsangebote für Vertriebene bereitzustellen. Dazu zählen Berufsorientierung, Beratung und Schutz vor Diskriminierung. Weiters ist die Integration in den Arbeitsmarkt von Schutz genießenden Personen zu fördern. Arbeitgeber, die diese einstellen, sollen ebenfalls Unterstützungen erhalten. Auch für Unternehmensgründungen soll es Zuschüsse geben.

Kompetenzen und Qualifikationen sollen bewertet, beurteilt und rasch anerkannt werden können. Möglichkeiten für gezielte Weiterbildungen und Umschulungen und/oder für die Sammlung praktischer Berufserfahrung sind schnellstens zu schaffen. Außerdem sollen die Mitgliedsstaaten einen raschen Zugang zur beruflichen Erstausbildung sicherstellen.

Ansprechpartnerin: Claudia Golser-Roet


Nachhaltigkeit


Neues Europäisches Bauhaus: 18 innovative Projekte prämiert

Das Europäische Bauhaus soll den europäischen Grünen Deal um eine kulturelle und kreative Dimension ergänzen. 18 Projekte aus ganz Europa - darunter auch Gleis 21 aus Österreich – wurden mit den Preisen 2022 ausgezeichnet. Projekte für Nachhaltigkeit, Inklusivität und Ästhetik sind darunter. Die Verknüpfung von Wissenschaft und Innovation mit Kunst und Kultur kann unseren Unternehmen interessante Geschäftschancen bieten.

Die Initiative der EU-Kommission ist als sehr breiter, kreativer Prozess gehalten. Ziel ist eine neue Lebensweise, die Nachhaltigkeit und Stil verbindet. Das Konzept zielt darauf ab, den grünen Wandel in Wirtschaftszweigen wie dem Baugewerbe und der Textilindustrie zu beschleunigen. Ein EU-Labor soll neue Instrumente und innovative Lösungen fördern. Finanziert wird das Projekt durch zwei Stränge: Finanzierung auf EU-Ebene und Finanzierung durch Eigenmittel und Initiativen der Mitgliedstaaten. Damit baut das Neue Europäische Bauhaus auf bestehenden EU-Programmen auf. Insgesamt 85 Millionen Euro sind 2021-22 budgetiert.

Ansprechpartnerin: Katja Schager


Fit for 55: Dekarbonisierung statt Deindustrialisierung

Collage der Erde mit umweltfreundlichen Technologien zur Energiegewinnung
© European Commission

Das Fit-for-55-Paket stand auch diese Woche ganz oben auf der Agenda des EU-Parlaments. Bei der Plenartagung letzte Woche wurde es vorerst gestoppt. Das Gebot der Stunde lautet Dekarbonisierung statt Deindustrialisierung. Zu drei Gesetzesentwürfen des Fit For 55-Pakets werden neue Kompromisse gesucht. Der Gesetzesentwurf zur Reform des Emissionshandelssystems (EHS) wurde an den Ausschuss zurückverwiesen, ebenso der Vorschlag zum EU Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM). Die Abstimmung zum Sozialen Klimafonds wurde vertagt. Alle drei Dossiers sollen nun am 22. Juni erneut im Plenum zur Abstimmung kommen.

Die österreichische Wirtschaft unterstützt das Pariser Klimaabkommen und das europäische Ziel der Klimaneutralität bis 2050. Angesichts der massiven negativen Folgen der COVID-19-Pandemie müssen alle Maßnahmen und Instrumente Unternehmen bestmöglich im Wiederaufschwung und der Transformation Richtung Low-Carbon-Economy unterstützen. Der von der EU-Kommission vorgeschlagene Klimazoll bietet aus Wirtschaftssicht keinen äquivalenten Schutz vor Abwanderungsgefahr. Eine kostenlose Zuteilung der Gratiszertifikate aus dem EU-Emissionshandelssystem (ETS) für CBAM-Sektoren muss weiterhin möglich sein. 

Ansprechpartner: Paul Ploberger


Kurz & bündig


COVID-19: Digitales EU-COVID-Zertifikat gilt bis 30. Juni 2023

Rat und Europäisches Parlament haben sich auf die Verlängerung der Verordnung zum digitalen EU-COVID-Zertifikat geeinigt. Das Zertifikat hat die Personenfreizügigkeit während der Hochphasen der Pandemie deutlich erleichtert. Bis 31. Dezember 2022 soll die EU-Kommission eine Bewertung der Lage vorlegen. Wenn es die gesundheitliche Situation zulässt, kann die Verordnung auch früher aufgehoben werden. Die Einigung muss nun noch von Rat und Parlament formell gebilligt werden.


EU-Agenda


Sitzung der Europäischen Kommission

Voraussichtliche Themen der nächsten Kommissionssitzung am 22. Juni 

  • Naturschutzpaket (tbc) 
  • Überprüfung von Handel und nachhaltiger Entwicklung

Ausgewählte Tagungen des Rates

21. Juni 

  • Rat „Allgemeine Angelegenheiten“ 
    • Transparenz- und Ausrichtungsrichtlinie für politische Werbung 
    • Vorbereitung des Europäischen Rates vom 23. und 24. Juni 2022: Schlussfolgerungen 
    • Konferenz zur Zukunft Europas 
    • Europäisches Semester 2022: Integrierte Empfehlungen nach Ländern

23. Juni 

23./24. Juni 

  • Europäischer Rat 
    • Ukraine
    • Wirtschaftliche Aspekte
    • Konferenz zur Zukunft Europas
    • Größeres Europa

26.-28. Juni 

Plenum des Europäischen Parlaments 

22. Juni 

  • Überarbeitung des Emissionshandelssystems der EU 
  • Klima-Sozialfonds 
  • CO2-Grenzausgleichssystem 
  • Umsetzung und Verwirklichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung

23. Juni 

  • Gasspeicher 
  • Digitales COVID-Zertifikat der EU – Unionsbürger 
  • Digitales COVID-Zertifikat der EU – Drittstaatsangehörige 


Ausschüsse des Europäischen Parlaments

20. Juni – Ausschuss für Wirtschaft und Währung 

  • Währungspolitischer Dialog mit Christine Lagarde, Präsidentin der Europäischen Zentralbank 
  • Einführung des Euro in Kroatien am 1. Januar 2023 

20. Juni – Gemeinsame Sitzung Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten mit dem Ausschuss für die Rechte der Frauen und die Gleichstellung der Geschlechter 

  • Hin zu gemeinsamen europäischen Maßnahmen im Bereich Pflege und Betreuung 

20. Juni – Gemeinsame Sitzung Ausschuss für konstitutionelle Fragen mit dem Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres 

  • Studie zum Thema „Der Bericht der Kommission über die Rechtsstaatlichkeit und die Überwachung und Durchsetzung der in Artikel 2 EUV verankerten Werte durch die EU“ 

Ausgewählte Fälle des Europäischen Gerichtshofes 

Mittwoch, 22. Juni 2022 

Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache C-267/20 Volvo und DAF Trucks 

Schadensersatzklage gegen Kartellbeteiligte 

Die Erwerberin von drei LKW (2006 u. 2007) verlangt vor den spanischen Gerichten von Volvo und DAF Trucks Ersatz des Schadens, der ihr durch deren Beteiligung am LKW-Kartell entstanden sei, das die Kommission mit Beschluss vom 19. Juli 2016 festgestellt habe.

Das mit dem Rechtsstreit in der Berufungsinstanz befasste spanische Gericht ersucht den Gerichtshof in diesem Zusammenhang um Auslegung des Unionsrechts, insbesondere hinsichtlich der zeitlichen Anwendbarkeit der Richtlinie 2014/104 über bestimmte Vorschriften für Schadensersatzklagen nach nationalem Recht wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union. Konkret geht es um die zeitliche Anwendbarkeit der Richtlinienbestimmungen über die Verjährungsfrist, die Beweislastverteilung und die richterliche Schadensschätzung. 

Weitere Informationen 


Urteil des Gerichts in der Rechtssache T-797/19 Anglo Austrian AAB und Belegging-Maatschappij "Far-East" / EZB 

Entzug der Bankzulassung 

Mit Beschluss vom 14. November 2019 entzog die Europäische Zentralbank (EZB) der österreichischen Privatbank Anglo Austrian AAB Bank ihre Bankzulassung. Dieser Beschluss geht auf einen Vorschlag der österreichischen Finanzmarktaufsichtsbehörde zurück.

Gegen diesen Entzug der Bankzulassung haben die AAB Bank und ihre quasi alleinige Anteilseignerin, die Belegging-Maatschappij „Far-East“, Klage beim Gericht der Europäischen Union erhoben. 

Weitere Informationen 


Ausgewählte laufende Konsultationen 

Verbraucherschutz 

Binnenmarkt 

Klimaschutz/Energie/Umwelt 

Verkehr

Allgemeine und berufliche Bildung, Migration und Asyl, Regionalpolitik, Forschung und Innovation 

Inneres 

Steuern 

Lebensmittelsicherheit 



REDAKTION: 
Franziska Annerl, Franziska.Annerl@eu.austria.be, EU Representation der WKÖ

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