Newsletter Abteilung Rechtspolitik | April 2023

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Aktualisiert am 05.08.2023

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Öffentliches Recht und Wettbewerb


Öffentliche Auftragsvergabe: Neue SchwellenwerteVO vom 7.2.2023 bis zum 30.6.2023

Mit 7.2.2023 ist die neue Schwellenwerteverordnung (BGBl II 34/2023) in Kraft getreten.

Wie schon die Vorgängerregelung, die mit 31.12.2022 außer Kraft getreten ist, ermöglicht diese Verordnung des BMJ die Direktvergabe an einen befugten, leistungsfähigen und zuverlässigen Unternehmer bis 100.000 EUR netto und das nicht offene Verfahren ohne Bekanntmachung mit drei Unternehmern im Baubereich bis 1 Mio. € netto. 

Diese Regelung gilt allerdings nur bis 30.6.2023. Sollte das BMJ keine Nachfolgeregelung treffen, gelten ab 1.7.2023 die niedrigeren Werte des BVergG 2018. 

Dr. Annemarie Mille 


Cybersicherheit: NIS 2-Richtlinie seit 16.1.2023 in Kraft, in Österreich umzusetzen bis 17.10.2024 – deutliche Ausweitung des Kreises verpflichteter Unternehmen 

Die Richtlinie (EU) 2022/2555 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Dezember 2022 über Maßnahmen für ein hohes gemeinsames Cybersicherheitsniveau in der Union, zur Änderung der Verordnung (EU) Nr 910/2014 und der Richtlinie (EU) 2018/1972 sowie zur Aufhebung der Richtlinie (EU) 2016/1148 (NIS-2-Richtlinie) wurde am 27.12.2022 im Amtsblatt der EU 2022 L 333/80 veröffentlicht und ist am 20. Tag nach ihrer Veröffentlichung, mithin am 16.1.2023, in Kraft getreten. 

Die Nachfolgeregelung für die NIS-Richtlinie 2016/1148 soll eine Stärkung der Cybersicherheit sowie insgesamt ein hohes gemeinsames Cybersicherheitsniveau in der EU herbeiführen, indem sie ein einheitliches Sicherheitsniveau für Netzwerke und Informationssysteme kritischer und sensibler Infrastrukturen in den Mitgliedsländern schafft. 

Die erste NIS-Richtlinie 2016/1148 trat bereits vor sechseinhalb Jahren in Kraft. Mit dieser beschloss die EU erstmals umfassende Regelungen für Cybersicherheit für Betreiber wesentlicher Dienste und bestimmte Anbieter digitaler Dienste. In Österreich erfolgte die Umsetzung der unionsrechtlichen Vorgaben durch das Netz- und Informationssystemsicherheitsgesetz (NISG) sowie die NIS-Verordnung. 

Neuerungen durch die NIS 2-Richtlinie 

Im Zuge der zunehmenden Digitalisierung steigen auch das Risiko und die Bedrohungen durch Cyberangriffe. Vor diesem Hintergrund stellt die NIS 2-Richtlinie höhere Sicherheitsanforderungen an die Unternehmen und sieht zugleich strengere Sanktionsbestimmungen vor. Die neue Richtlinie soll eine raschere, besser koordinierte Reaktion auf Cyberkrisen auf nationaler, wie auch auf EU-Ebene ermöglichen. 

Zu den wesentlichen Neuerungen zählen einerseits die erhebliche Ausweitung des Kreises verpflichteter Unternehmen und andererseits die Aufgabe der Systematik von „Betreibern wesentlicher Dienste“ und „Anbietern digitaler Dienste“ zugunsten einer Systematik von „wesentlichen“ Einrichtungen“ und „wichtigen Einrichtungen“. 

Wesentliche Einrichtungen, wichtige Einrichtungen 

Mit der nunmehrigen Unterscheidung zwischen wesentlichen und wichtigen Einrichtungen, für die zum Teil unterschiedliche Verpflichtungen gelten, geht die bereits erwähnte Ausweitung der Liste der erfassten Sektoren einher: 

Als wesentlich gelten folgende Einrichtungen bzw Unternehmen aus folgenden Bereichen: 

  • In Anhang I genannte Sektoren (wie Energie, Verkehr, Wasserversorgung, Gesundheitswesen, Abwasser, digitale Infrastruktur, öffentliche Verwaltung oder Weltraum), außerdem
  • qualifizierte Vertrauensdienstanbieter, Domänennamenregister der Domäne oberster Stufe sowie DNS-Diensteanbieter sowie
  • Anbieter öffentlicher elektronischer Kommunikationsnetze oder öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste und
  • Einrichtungen der öffentlichen Verwaltung. 

Als wichtig gelten die folgenden Einrichtungen bzw Unternehmen aus folgenden Bereichen: 

  • Post- und Kurierdienste,
  • Abfallbewirtschaftung,
  • Chemie (Herstellung und Handel),
  • Lebensmittel (Produktion, Verarbeitung, Vertrieb),
  • Hersteller bestimmter Waren (ua Medizinprodukte, Datenverarbeitungsgeräte, Maschinenbau, Kfz),
  • Anbieter digitaler Dienste (Plattformen für Dienste sozialer Netzwerke) sowie
  • Forschungseinrichtungen. 

Die Mitgliedstaaten haben die Möglichkeit, darüber hinaus noch weitere wesentliche und wichtige Einrichtungen zu benennen. 

Anwendungsbereich 

In den Anwendungsbereich fallen fortan alle mittleren und großen Unternehmen in den als wesentlich bzw wichtig identifizierten Sektoren. Klein- und Kleinstunternehmen fallen grundsätzlich nicht in den Anwendungsbereich – mit Ausnahme von besonders sicherheitskritischen Diensten wie dem Anbieten öffentlicher elektronsicher Kommunikationsnetze oder dem Anbieten von Vertrauensdiensten, welche unabhängig von ihrer Größe dem Anwendungsbereich der Richtlinie unterliegen. 

Maßnahmen 

Die Richtlinie sieht nunmehr weitergehende Maßnahmen für die verpflichteten Unternehmen vor. Wie bereits unter der ersten NIS-Richtlinie bestehen präventive und reaktive Verpflichtungen.

Zu den präventiven Verpflichtungen zählt die wirksame Umsetzung von Risikomanagementmaßnahmen nach einem risikobasierten Vorgehen unter Verantwortung der Unternehmensleitung, worunter ua zu verstehen sind: 

  • Risikoanalyse- und Informationssicherheitskonzepten,
  • Maßnahmen zur Bewältigung von Sicherheitsvorfällen,
  • Maßnahmen zur Aufrechterhaltung des Betriebs (zB Back-up-Management und Wiederherstellung),
  • Konzepte für Zugriffskontrollen,
  • Verwendung von Lösungen zur Multi-Faktor-Authentifizierung, gesicherte Kommunikation uam. 

Betroffene Unternehmen haben eine Liste an grundlegenden Maßnahmen zur sog Cyberhygiene - auch betreffend ihre Lieferketten - einzuführen, zB: 

  • Zero-Trust-Grundsätze,
  • Software-Updates,
  • Gerätekonfiguration,
  • Netzwerksegmentierung,
  • Identitäts- und Zugriffsmanagement,
  • Sensibilisierung der Nutzer,
  • Organisation von Schulungen für Mitarbeiter sowie
  • Schärfung des Bewusstseins für Cyberbedrohungen, Phishing oder Social-Engineering-Techniken. 

Meldepflichten 

Zu den reaktiven Verpflichtungen zählen insbesondere die Meldepflichten der Richtlinie. Signifikante Vorfälle und signifikante Bedrohungen sind den Behörden zu melden, wobei genaue Vorgaben für Ablauf, Inhalt und Zeitrahmen solcher Meldungen gelten: 

Konkret muss unverzüglich, jedenfalls aber innerhalb von 24 Stunden nach Kenntnisnahme, eine sogenannte Frühwarnung abgegeben werden. In weiterer Folge hat binnen 72 Stunden eine Meldung des Sicherheitsvorfalls zu erfolgen. Spätestens ein Monat nach Übermittlung dieser Meldung ist ein Abschlussbericht zu erstellen. 

Aufsicht und Durchsetzungsmaßnahmen 

Die zuständigen Behörden können Vor-Ort-Kontrollen, regelmäßige Sicherheitsprüfungen und anlassbezogene ad-hoc-Prüfungen vornehmen. Sie können außerdem bestimmte Informationen und auch Datenzugänge anfordern. Für wesentliche Einrichtungen sind Prüfungen regelmäßig und ohne konkreten Anlassfall möglich, wohingegen wichtige Einrichtungen nur bei Vorliegen eines begründeten Verdachts überprüft werden können.

Haftung und Sanktionsregime 

Verstöße werden entsprechend den einzelstaatlichen gesetzlichen Vorgaben sanktioniert – diese sind von den Mitgliedstaaten wirksam, verhältnismäßig und abschreckend auszugestalten. Der Bußgeldrahmen wird für wesentliche Einrichtungen mit einem Höchstbetrag von mindestens 10 Mio € oder 2 % des weltweiten Umsatzes - je nachdem, welcher Betrag höher ist - begrenzt. Für wichtige Einrichtungen liegt der Höchstbetrag bei zumindest 7 Mio € oder bei 1,4 % des weltweiten Umsatzes. Sofern ein Verstoß zu einer Geldbuße nach der DSGVO führt, wird nach der NIS 2-Richtlinie keine Geldbuße verhängt. 

Leitungsorgane wesentlicher und wichtiger Einrichtungen sind verpflichtet, die Umsetzung der Risikomanagementmaßnahmen zu überwachen und können für Verstöße dagegen verantwortlich gemacht werden, wobei die nähere Ausgestaltung dieser Haftung einzelstaatlich zu regeln ist. 

Nächste Schritte 

Die Mitgliedstaaten haben bis zum 17. Oktober 2024 die erforderlichen Vorschriften zu erlassen, um dieser Richtlinie nachzukommen, und diese Vorschriften ab dem 18. Oktober 2024 anzuwenden. Vor diesem Hintergrund ist in Österreich mit umfassenden Anpassungen im NIS-Gesetz zu rechnen. 

Informationsangebot der Wirtschaftskammer für Unternehmen 

Mit Blick auf den neuen, durch die NIS 2-Richtlinie deutlich erweiterten Kreis der von den Vorgaben für die Cybersicherheit betroffenen Unternehmen stellt die Wirtschaftskammer ein umfassendes Online-Informationsangebot zur Verfügung, um Unternehmen zum einen die Prüfung zu ermöglichen, ob sie von den Verpflichtungen der NIS 2-Richtlinie selbst betroffen sind – hiezu steht der Online Ratgeber „Ist mein Unternehmen von NIS2 betroffen?“ zur Verfügung. 

Zum anderen findet sich auf der WKO.at-Infoseite zu NIS2 ein regelmäßig aktualisiertes Informationsangebot zum Thema NIS 2-Richtlinie sowie unter it-safe.at ein entsprechendes Angebot zu Cybersicherheit insgesamt einschließlich weiterführender Links. 

Dr. Winfried Pöcherstorfer, LL.M. 


EU-Digital Services Act (DSA) in Kraft 

Neue Regeln für den elektronischen Geschäftsverkehr gelten ab 17.2.2024 

Die Verordnung (EU) 2022/2065 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Oktober 2022 über einen Binnenmarkt für digitale Dienste und zur Änderung der Richtlinie 2000/31/EG („Gesetz über digitale Dienste“) bzw „Digital Services Act“ (kurz: DSA) ist am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union (ABl 2022 L 277/1 vom 27.10.2022) mit 16.11.2022 in Kraft getreten. 

In Geltung treten die neuen, größtenteils unmittelbar anwendbaren Regelungen dieser EU-Verordnung – mit Ausnahme einzelner Bestimmungen betreffend bestimmte (sehr große) Online-Plattformen und Online-Suchmaschinen – mit 17.2.2024.

Diese neue EU-Verordnung zielt auf die Schaffung eines leistungsfähigen und klaren Transparenz- und Verantwortlichkeitsrahmens für Online-Plattformen, den besseren Schutz von Nutzerinnen und Nutzern und ihrer Grundrechte im Internet sowie auf die Förderung von Innovation, Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit im Binnenmarkt ab. 

Anwendungsbereich und Grundsätzliches 

Der DSA regelt die Pflichten von digitalen Diensten (Online-Diensten), die in der Europäischen Union als Vermittler zwischen gewerblichen wie auch privaten Endnutzern bzw Rezipienten einerseits und den Anbietern von Waren, Dienstleistungen und Inhalten andererseits tätig sind. Zentraler Anknüpfungspunkt des Rechtsaktes ist, wie bereits in der E-Commerce-Richtlinie, die Erbringung eines Dienstes der Informationsgesellschaft. Während für sehr große Online-Plattformen (mit 45 Mio Nutzern und mehr) weitreichendere Verpflichtungen festgelegt werden, bestehen für Klein- und Kleinst-Unternehmen gem Empfehlung 2003/361/EG weitreichende Ausnahmen von den zum Teil aufwändigen Verpflichtungen nach dieser Verordnung. 

Der DSA ist als horizontaler Rechtsakt konzipiert, der Regeln für alle erfassten Dienste enthält und innerhalb der EU einen harmonisierten sektorübergreifenden Rahmen von Rechten, Pflichten, Verantwortlichkeiten, Verfahren und Zuständigkeiten schafft, ohne dabei sektorspezifische Bestimmungen zB zum Telekommunikations-, Medien-, Urheber- oder Verbraucherschutzrecht zu verdrängen.

In diesem Sinne ist er auch dahingehend inhaltlich neutral, dass er selbst keine materiell-rechtlichen Definitionen rechtswidriger Handlungen enthält, sondern sich insofern auf einschlägiges EU-Sekundärrecht bzw mitgliedstaatliche Vorgaben stützt: der Maßstab für die Rechtswidrigkeit von Inhalten ergibt sich zB aus der EU-Urheberrechts-RL oder aus den medienrechtlichen Vorschriften der Mitgliedstaaten. 

Der DSA ersetzt die E-Commerce-Richtlinie 2000/31/EG nicht, sondern ändert diese lediglich dahingehend ab, dass Kernbestimmungen wie speziell die Vorschriften zur Haftung bzw zu Haftungsprivilegierungen in die neue Verordnung übergeführt und konkretisiert werden: Anbieter bleiben von einer Haftung weiterhin freigestellt, solange sie keine Kenntnis von konkreten illegalen Inhalten haben und sofort reagieren, sobald sie solche Kenntnis erlangen; dabei wird klargestellt, dass Anbietern keine allgemeinen Überwachungspflichten auferlegt werden dürfen, wobei freiwillige Maßnahmen gegen illegale Inhalte nicht dazu führen, dass das Haftungsprivileg aufgrund dieser Maßnahmen bereits verwirkt wird.  

Wesentliche Inhalte und Verpflichtungen nach dem DSA  

Während allen Anbietern von Online-Diensten mit dem DSA neue allgemeine Pflichten auferlegt werden, besteht eine wesentliche Neuerung des DSA in der ausdrücklichen Einbeziehung von Online-Plattformen (das sind zB Online-Marktplätze, App-Stores, Plattformen der kollaborativen Wirtschaft, soziale Netzwerke) in den Regelungsrahmen für den elektronischen Geschäftsverkehr. 

Die bereits aus der E-Commerce-RL bekannten Kategorien „Caching“, „Hosting“ und „reine Durchleitung“ bleiben erhalten. Ein Angelpunkt des neuen Rechtsaktes ist die Etablierung eines gestuften Systems der Anbieterverantwortlichkeit, das für sehr große Online-Plattformen (very large online platforms, kurz: VLOPs) und sehr große Online-Suchmaschinen (very large online search engines, kurz: VLOSEs) besondere Verpflichtungen und eine besondere Form der Aufsicht (durch die EU-Kommission als zuständige Behörde) vorsieht.  

Nach Anbietern untergliedert stellen sich die wesentlichen Verpflichtungen wie folgt dar:  

Alle Anbieter von Vermittlungsdiensten 

Alle Anbieter von Vermittlungsdiensten (dh von reiner Durchleitung, Caching und Hosting Diensten ebenso wie von Online-Plattformen) haben Transparenz- und Berichtspflichten einzuhalten. Sie müssen Grundrechte im Rahmen ihrer Nutzungsbedingungen berücksichtigen, mit nationalen Behörden kooperieren sowie Kontaktstellen und gegebenenfalls eine gesetzliche Vertretung einrichten, die innerhalb der EU kontaktierbar ist. 

Alle Anbieter müssen insbesondere Maßnahmen zur Bekämpfung illegaler Online-Inhalte, einschließlich Waren und Dienstleistungen setzen. Dabei sind im DSA neue Mechanismen vorgesehen, die es Nutzern ermöglichen sollen, illegale Online-Inhalte (zB Formen von Hassrede oder Fake News) zu melden, und die es Online-Plattformen ermöglichen, mit spezialisierten „vertrauenswürdigen Hinweisgebern“ zusammenzuarbeiten, um illegale Inhalte zu ermitteln und zu entfernen. 

Hosting-Dienste und Online-Plattformen 

Hosting-Dienste und Online-Plattformen müssen die Meldung von über die Plattform verfügbaren illegalen Inhalten ermöglichen, diese wenn nötig beseitigen und die beteiligten Nutzer darüber informieren. 

Online-Plattformen 

Online-Plattformen müssen Beschwerde- und Rechtsbehelfsmechanismen einrichten und eine außergerichtliche Streitbeilegungsmöglichkeit vorsehen.

Gewerbliche wie auch private Nutzer von Online-Plattformen haben fortan ua das Recht, sich bei der Plattform zu beschweren, eine außergerichtliche Streitbeilegung zu verlangen, sich in ihrer eigenen Sprache bei ihrer nationalen Behörde zu beschweren oder bei Verstößen gegen die Vorschriften Schadenersatz zu fordern – dies kann insbesondere auch für Online-Händler auf Online-Marktplätzen von Interesse sein. 

Es bestehen Meldepflichten der Plattformen in Bezug auf Straftaten gegenüber den zuständigen Behörden.

Im Zusammenhang mit der Meldung von illegalen Inhalten ist außerdem eine Zusammenarbeit von Online-Plattformen mit vertrauenswürdigen Hinweisgebern (trusted flaggers) vorgesehen, wobei letztere von den nationalen Behörden zu benennen sind. Auch Reaktionsmöglichkeiten der Plattformen auf (wiederholt) missbräuchliche Meldungen sind vorgesehen.

Im Sinne der Transparenz gegenüber Nutzern sollen letztere in den Nutzungsbedingungen der Plattformen klar und verständlich über ihre Rechte und Pflichten informiert werden. Plattformen ist es außerdem untersagt, sog Dark Patterns an ihren Schnittstellen zur Anwendung zu bringen. Dabei geht es um irreführende Design-Tricks, die Nutzer dahingehend manipulieren, Entscheidungen zu treffen, die sie nicht zu treffen beabsichtigen.

Nutzer sollen ferner auch besser über ihnen angezeigte Werbung informiert werden, was speziell die Transparenz von Algorithmen und Empfehlungssystemen für Produkte und Inhalte betrifft.

In diesem Zusammenhang wird auch ein Verbot gezielter Werbung auf Online-Plattformen durch Profiling von Kindern oder auf der Grundlage besonderer Kategorien personenbezogener Daten wie ethnischer Herkunft, politischer Ansichten oder sexueller Ausrichtung normiert, ebenso wie die Vorgabe transparenterer Werbung auf Online-Plattformen und Werbebotschaften von Influencern.

Im Übrigen bleiben auf individualisierte Werbung gestützte Geschäftsmodelle dem Grunde nach zulässig.

Anbieter von Fernabsatz-Online Plattformen 

Speziell für Anbieter von Fernabsatz-Online-Plattformen gelten neue Vorschriften zur Nachverfolgung von Verkäufern auf Online-Marktplätzen, um dazu beizutragen, Vertrauen aufzubauen und Betrüger einfacher zu verfolgen.

Es besteht nun eine neue Verpflichtung der Online-Marktplätze, stichprobenartig anhand bestehender Datenbanken zu prüfen, ob die Produkte oder Dienste auf ihren Websites den Anforderungen entsprechen, einschließlich der Vorgabe nachhaltiger Anstrengungen zur Verbesserung der Rückverfolgbarkeit von Produkten durch fortschrittliche technische Lösungen.

Sehr große Online-Plattformen und Online-Suchmaschinen 

Sehr große Online-Plattformen (VLOPs) und Online-Suchmaschinen (VLOSEs) treffen über die Verpflichtungen für Online-Plattformen hinaus noch weitere, strengere Pflichten. Sie haben die Risiken, die von ihrem Dienst ausgehen, im Sinne einer Pflicht zur Beobachtung und Folgenabschätzung im Auge zu behalten und einen Compliance-Beauftragten zu bestellen. 

Auch gegenüber der Öffentlichkeit trifft sehr große Plattformen eine besondere Rechenschaftspflicht, die durch Transparenzberichte gewährleistet werden soll, in denen sie etwa konkret über die gemeldeten illegalen Inhalte auf der Plattform sowie dazu berichten müssen, wie mit diesen Meldungen verfahren wurde. 

Vorgesehen ist auch eine Möglichkeit für die Wissenschaft, auf bestimmte Daten von sehr großen Online-Plattformen Zugriff zu erhalten. 

Was die Transparenz von auf sehr großen Plattformen gegebenenfalls angebotenen Empfehlungssystemen (etwa für personalisierte Inhalte) betrifft, enthält der vorgeschlagene DSA ebenfalls Informationspflichten für die Anbieter gegenüber ihren Nutzern. Zudem muss die Möglichkeit angeboten werden, die Anzeige von auf Profiling basierenden Inhalten zu deaktivieren.

Um den Missbrauch ihrer Systeme zu verhindern, müssen sie risikobasierte Maßnahmen ergreifen und sich einer Beaufsichtigung in Form unabhängiger Prüfungen ihrer Risikomanagementmaßnahmen unterwerfen. Sehr große Plattformen müssen Risiken wie Desinformation oder Wahlmanipulation, Cybergewalt gegen Frauen oder jugendgefährdende Inhalte im Internet reduzieren. Diese Maßnahmen müssen sorgfältig gegen Beschränkungen der Meinungsfreiheit abgewogen werden und unterliegen unabhängigen Prüfungen.

Schließlich wird ein neuer Krisenreaktionsmechanismus für den Fall einer ernsthaften Bedrohung für die öffentliche Gesundheit und Sicherheit, wie zB einer Pandemie oder eines Kriegs vorgesehen.

Aufsicht über Anbieter 

Für Onlinedienste-Anbieter wird im DSA eine neue, einheitliche Aufsichtsstruktur etabliert. Während Plattformen grundsätzlich der Aufsicht der Mitgliedstaaten unterliegen, in denen sie niedergelassen sind, gilt für sehr große Online-Plattformen (mit 45 Millionen und mehr Nutzern), dass die EU-Kommission als primäre Regulierungsstelle fungieren wird.

Sie wird über ähnliche Durchsetzungsbefugnisse verfügen wie im Rahmen von Kartellverfahren. Es wird ein EU-weiter Kooperationsmechanismus für die nationalen Regulierungsbehörden und die Kommission eingerichtet. 

Strafen 

Die Mitgliedstaaten sollen angemessene Strafen vorsehen. Die Geldbußen dürfen nach dem DSA bis zu 6 % der Jahreseinnahmen oder des Jahresumsatzes des betreffenden Anbieters erreichen.

Auch für sehr große Online-Plattformen sind Geldbußen in dieser Höhe möglich, wobei diese von der EU-Kommission zu verhängen sind. 

Nächste Schritte 

Nachdem die sehr großen Online-Plattformen und Online-Suchmaschinen Mitte Februar dJ auf entsprechende Aufforderung hin ihre Nutzerzahlen der Europäischen Kommission bekannt gegeben haben (Twitter gab an, dass es im Durchschnitt einer Schätzung zufolge in den 45 Tagen bis zur Meldung 100,9 Millionen monatliche Nutzer in der EU hatte; Alphabet ging pro Monat von rund 278,6 Millionen Nutzern auf Google Maps, 274,6 Millionen auf Google Play, 332 Millionen auf Google Search, 74,9 Millionen auf Shopping und 401,7 Millionen Nutzern auf YouTube aus und Meta Platforms gab bekannt, in den vergangenen sechs Monaten durchschnittlich 255 Millionen aktive Nutzer auf Facebook und etwa 250 Millionen auf Instagram im Monat in der EU gehabt zu haben), hat die EU-Behörde nun auf deren Grundlage die Entscheidung zu treffen, welche Plattformen als VLOPs bzw VLOSEs gelten. Vier Monate nach Veröffentlichung dieser Entscheidungen treten dann diese bestimmten Sorgfaltspflichten für VLOPs bzw VLOSEs in Kraft.

Bis zum Inkrafttreten der übrigen Regelungen des DSA am 17.2.2024, der als EU-Verordnung unmittelbar in den Mitgliedstaaten gelten wird, ist auf nationaler Ebene noch ein Koordinator für Digitale Dienste (KDD) gesetzlich einzurichten bzw eine Behörde mit den dafür im DSA vorgesehenen Aufgaben gesetzlich zu betrauen. 

Dr. Winfried Pöcherstorfer, LL.M. 


Preiskommission nach Preisgesetz: Kein staatliches Eingreifen bei Benzin, Diesel und Heizöl erforderlich

Auf Antrag der Bundesarbeitskammer vom 08.09.2022 gemäß § 5 Preisgesetz wurde eine Prüfung der Preise bzw. Preisentwicklung für die Produkte Diesel, Benzin und Heizöl durchgeführt. Der Endbericht der Preiskommission (PK) wurde am 23.03.2023 beschlossen sowie vom Wirtschaftsminister am gleichen Tag präsentiert und veröffentlicht.

Dabei ist die PK wie folgt vorgegangen: Nach § 5 Preisgesetz ist in den ersten zwei Prüfungsstufen zu erheben, ob der geforderte Preis oder die Preiserhöhung die internationale Preisentwicklung bzw. den relevanten Index des Wirtschaftszweiges in einem ungewöhnlichen Maß übersteigt. Die Preiskommission hat darüber hinaus weitergehende Analysen des Kraftstoffmarktes angestellt, um ein umfassendes Bild über die Preisbildung auf diesem Markt vorlegen zu können. Im Zuge dessen hat die Preiskommission zahlreiche Experten und die betroffenen Unternehmen anhand von Fragenkatalogen befragt. Insgesamt hat die PK 15 Sitzungen abgehalten. 

Die Stellungnahme der PK trifft zusammengefasst folgende Feststellungen: 

  • Die Preise für Benzin, Diesel und Heizöl sind 2022 in der Europäischen Union, aber auch weltweit enorm gestiegen, wobei es zu sprunghaften Anstiegen sowohl im März als auch im Sommer 2022 gekommen ist. 
  • Die Entkopplung zwischen Erdölpreis und Produktenpreisen im letzten Jahr ist ein europäisches bzw. weltweites Phänomen. 
  • Der Erdöl- bzw. Treibstoffmarkt zeichnet sich durch eine hohe internationale Verflechtung aus. Internationale Mineralölkonzerne, die Tankstellen in Österreich betreiben und Beteiligungen an Raffinerien halten („Majors“) sind vertikal integriert und somit in den unterschiedlichen Wertschöpfungsstufen international tätig. 
  • Wesentliche Faktoren bei den Preissteigerungen waren die erhöhte Nachfrage im Vergleich zum aufgrund der Corona-Krise reduzierten Angebot und in weiterer Folge weltweite Unsicherheiten aufgrund des Ukraine-Krieges.
  • In Österreich stellen die erhöhte Nachfrage nach Diesel, welcher zu einem großen Teil importiert wird, und der weitgehende Ausfall der Produktion in der Raffinerie Schwechat aufgrund eines Unfalls am 03.06.2022 weitere Einflussfaktoren dar. 
  • Für das Produkt Diesel herrschte auch aufgrund der Möglichkeit in der Industrie als Substitut für Gas verwendet zu werden, eine zusätzlich erhöhte Nachfrage und Diesel unterlag damit auch höheren Preissteigerungen als Benzin. 
  • Auch die Erhöhung der Brutto-Raffineriemargen ist kein rein österreichisches Phänomen, wie auch von Wettbewerbsbehörden aus anderen Staaten festgehalten wurde. Diese verweisen teilweise auch auf negative Margen in den Jahren zuvor. 
  • Deutlich erhöhte Gewinne werden EU-weit durch die Einhebung der befristeten Solidaritätsabgabe reduziert. 
  • Von der Bundeswettbewerbsbehörde wurde festgestellt, dass es in Österreich im Tankstellenbereich keine Indizien für längerfristige Brutto-Margenveränderungen gegeben hat. 
  • Versorgungsengpässe konnten, anders als z.B. in Ungarn oder Frankreich, in Österreich vermieden werden. Die Analyse der Preise kann somit nicht ohne die Frage des verfügbaren Angebots bzw. der Versorgungssicherheit angestellt werden. 
  • Preissteigerungen sind zum Teil auch Folge der grünen Transformation und des langfristigen Ausstiegs aus fossilen Rohstoffen. Daher ist bei einem Vergleich der Bruttopreise, welche in Österreich teilweise stärker gestiegen sind, auch zu berücksichtigen, dass es in den EU-Mitgliedstaaten unterschiedliche Steuer- bzw. Subventionsmaßnahmen gegeben hat. Daher ist ein Nettopreisvergleich in Bezug auf die unternehmerische Preisgestaltung aussagekräftiger. 
  • Die in Österreich verlangten Preise haben grundsätzlich eine sehr ähnliche Entwicklung wie in vergleichbaren Ländern der Europäischen Union und international erfahren. Im Zeitverlauf gab es Phasen, wo die Preise über dem europäischen Durchschnitt waren und Phasen, wo sie darunter waren. Die beobachteten Entwicklungen lassen in einer Gesamtbetrachtung angesichts der unterschiedlichen Faktoren bei Angebot und Nachfrage sowie in Hinblick auf die Versorgungssicherheit keine Rückschlüsse zu, die auf Preisverläufe hinweisen, die sich in irgendeiner Weise als ungewöhnlich darstellen

Die PK gelangte somit mit überwiegender Mehrheit zur Ansicht, dass keine Preissteigerungen in einem im internationalen Vergleich bzw. im Vergleich zu Preisindizes des Wirtschaftszweiges ungewöhnlichen Maß vorgelegen haben. Somit konnte dem Wirtschaftsminister nicht empfohlen werden, weitere Verfahren nach dem Preisgesetz durchzuführen. Eine Dissenting Opinion der Arbeiterkammer ist der Stellungnahme beigefügt.  

Dr. Theodor Taurer


Zivil-, Unternehmens- und Gesellschaftsrecht


HinweisgeberInnenschutzgesetz 

Das HinweisgeberInnenschutzgesetz (HSchG), BGBl. I Nr. 6/2023, verpflichtet in Umsetzung der EU‑Whistleblowingrichtlinie auch Unternehmen zur Einrichtung interner Meldekanäle, damit Hinweisgeber vertraulich an diese (Verdachtsmomente über) Verstöße melden können. 

Diese Hinweisgeber werden durch das HSchG besonders geschützt.

Gesetzliche Grundlage 

Das HSchG legt ua fest, wer als Hinweisgeber gilt und wie er geschützt ist, welche Unternehmen interne Meldekanäle einzurichten und zu betreiben haben, wie interne und externe Meldekanäle ausgestaltet zu sein haben und wie mit Hinweisen umzugehen ist.

In bestimmten Bereichen gelten darüber hinaus Sonderbestimmungen, etwa aufgrund des Bankwesengesetzes.

Hinweisgeber 

Wer im Rahmen einer beruflichen Tätigkeit von einer Rechtsverletzung Kenntnis erlangt und diese durch einen Hinweis aufdeckt, gehört zum Kreis der geschützten Hinweisgeber. Das sind neben Arbeitnehmern auch zB Praktikanten, Mitglieder leitender Organe (Geschäftsführung …), Arbeitnehmer von Auftragnehmern und (Sub-)Lieferanten. 

Geltungsbereich 

Vieles spricht dafür, das Gesetz ist allerdings diesbezüglich unklar, dass das HSchG für Arbeitgeber mit zumindest 50 Arbeitnehmern gilt, wenn die Möglichkeit besteht, dass sie von Hinweisen in den vom HSchG genannten Bereichen betroffen sein können. Das HSchG kann auch unter dieser Schwelle gelten, wenn Unternehmen in bestimmten sensiblen Bereichen tätig sind (zB Finanzdienstleistungen und ‑produkte). Es gilt nicht für Einzelunternehmer.

Das HSchG gilt für die Hinweisgebung hinsichtlich (des Verdachts) der Verletzung von Vorschriften ua in den Bereichen Öffentliches Auftragswesen, Finanzdienstleistungen, Produktsicherheit, Verkehrssicherheit, Umweltschutz, Lebensmittelsicherheit, Tierschutz, öffentliche Gesundheit, Verbraucherschutz, Datenschutz und Korruption. 

Schutzwürdigkeit von Hinweisgebern: Hinweisgeber sind zur Inanspruchnahme der Verfahren und des Schutzes für die Hinweisgebung ab der Abgabe des Hinweises berechtigt, wenn sie zum Zeitpunkt des Hinweises auf der Grundlage der tatsächlichen Umstände und der ihnen verfügbaren Informationen hinreichende Gründe dafür annehmen können, dass die von ihnen gegebenen Hinweise wahr sind und in den Geltungsbereich des HSchG fallen. 

Vertraulichkeit, Verschwiegenheitspflicht und Schutz der Identität: Die Identität von Hinweisgebern ist durch die internen und externen Stellen zu schützen. Dies gilt auch für alle anderen Informationen, aus denen die Identität von Hinweisgebern direkt oder indirekt abgeleitet werden kann. Eine Offenlegung ist nur in ganz bestimmten, eng begrenzten Fällen zulässig. 

Hinweisgeber, interne und externe Stellen sowie Behörden dürfen Geschäftsgeheimnisse, die ihnen aufgrund eines Hinweises bekannt werden, nur für die Zwecke des HSchG und nur im dafür erforderlichen Ausmaß benutzen oder offenlegen.

Das HSchG enthält umfangreiche Datenschutzbestimmungen. 

Interne Hinweisgebung 

Arbeitgeber (inkl. Öffentlicher Stellen), die in den Geltungsbereich des HSchG fallen, sind verpflichtet, ein internes Meldesystem nach den Vorgaben des HSchG einzurichten und zu betreiben. Wer dieses nicht einrichtet, kann nicht bestraft werden. Es ist allerdings davon auszugehen, dass bestehende interne Einrichtungen eher genützt werden als externe Meldesysteme gegenüber Behörden. Aufbau und Verfahren interner Meldesysteme sind gesetzlich geregelt. Der Arbeitgeber kann selbst entscheiden, ob das interne System nur schriftliche, nur mündliche, oder Hinweise in beiden Formen zulässt. Unternehmen können die Aufgaben einer internen Stelle auf eine gemeinsame Stelle (zB Konzernmutter) oder Externe (zB Rechtsanwälte) übertragen.

Anonyme Meldungen müssen nicht zugelassen werden, werden sie zugelassen, ist das System so auszugestalten, dass eine anonyme Zweiwegkommunikation möglich ist (zB, weil der Eingang eines Hinweises dem Hinweisgeber schriftlich zu bestätigen ist). 

Werden interne Meldesysteme für Meldungen außerhalb des sachlichen Anwendungsbereichs des HSchG eingerichtet, kommen die Spezialbestimmungen des HSchG nicht zur Anwendung, sondern sind die allgemeinen datenschutzrechtlichen Vorschriften einzuhalten. Geht ein System über den sachlichen Anwendungsbereich hinaus, ist eine Zustimmung des Betriebsrats gem. § 96a Abs. 1 ArbVG notwendig. Diese ist jedoch durch Entscheidung der Schlichtungsstelle ersetzbar. 

Externe Hinweisgebung 

Neu ist, dass nach dem HSchG externe Meldestellen einzurichten sind, an die sich ein Hinweisgeber auch direkt wenden darf (obwohl die Anregung besteht, dass er zunächst den Hinweis intern abgibt). Das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK) ist allgemeine externe Stelle. Für bestimmte Bereiche gibt es ausschließlich zuständige externe Stellen. Auch der Aufbau und Verfahren dieser Meldesysteme sind gesetzlich geregelt. 

Offenlegung 

Ein Hinweisgeber ist berechtigt, unter bestimmten Umständen Hinweise durch deren öffentliches Zugänglichmachen (etwa auf „sozialen“ Plattformen) zu veröffentlichen; dies jedoch nur unter strikten Voraussetzungen, so etwa dann, wenn er einen hinreichenden Grund zur Annahme hat, dass die Rechtsverletzung eine unmittelbare oder offenkundige Gefährdung des öffentlichen Interesses darstellen kann, wie etwa in einer Notsituation oder bei Gefahr eines irreversiblen Schadens.

Schutz vor Vergeltungsmaßnahmen 

Maßnahmen, die in Vergeltung eines berechtigen Hinweises erfolgen, etwa Suspendierung, Kündigung, Nichtverlängerung eines befristeten Arbeitsvertrags, Herabstufung oder Versagung einer Beförderung, sind rechtsunwirksam. Der Arbeitgeber ist zur Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustands, zum Ersatz des Vermögensschadens sowie zu einer Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung verpflichtet. 

Befreiung von Haftung und Geheimhaltungsverpflichtungen 

Schutzwürdige Hinweisgeber haften nicht für tatsächliche oder rechtliche Folgen eines berechtigten Hinweises. Geschützt ist jedoch nicht, wer sich diese Informationen durch eine eigenständige Straftat beschafft und in weiterer Folge mit diesen einen Hinweis erstattet. 

Strafbestimmungen 

Strafbar ist, wer eine Person im Zusammenhang mit einer Hinweisgebung behindert oder zu behindern sucht oder durch mutwillige gerichtliche oder verwaltungsbehördliche Verfahren unter Druck setzt, wer eine Vergeltungsmaßnahme setzt, wer die Bestimmungen zum Schutz der Vertraulichkeit verletzt oder wissentlich einen falschen Hinweis gibt. Dies stellt eine Verwaltungsübertretung dar und ist mit Geldstrafe bis zu 20.000 Euro (im Wiederholungsfall: 40.000 Euro) zu bestrafen. 

Inkrafttreten 

Interne und externe Stellen sind längstens binnen sechs Monaten ab Inkrafttreten des HSchG (= 25.8.2023) einzurichten. Für Unternehmen mit weniger als 250 Beschäftigten sind interne Stellen längstens bis 17. Dezember 2023 einzurichten. 

Das Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft überlegt, einen Auslegungsbehelf zum HSchG zu erarbeiten. Dieser ist bislang noch nicht veröffentlicht. 

Dr. Artur Schuschnigg 


Ministerialentwurf Korruptionsstrafrechtsänderungsgesetz 2023 

Medial bereits hinreichend angekündigt, hat die Bundesministerin für Justiz nunmehr nach innerkoalitionärer Einigung ihren Entwurf eines Korruptionsstrafrechtsänderungsgesetzes 2023 zur Begutachtung ausgesendet.

Ausdrücklich anzumerken ist, dass der Kurztitel irreführend ist, weil keineswegs nur das Korruptionsstrafrecht, sondern darüber hinaus auch das Verbandsverantwortlichkeitsgesetz, das Bundesgesetz über die Wahl des Nationalrates und das Bundesgesetz über die Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments geändert werden sollen.

Die angestrebte Novelle kann als Spätfolge des sog. Ibiza-Skandals angesehen werden und stellt somit eine Anlassgesetzgebung dar.

Vorgeschlagen wird, so die Erläuterungen, die Ausweitung der Korruptionsbekämpfung im Strafrecht ua nach folgenden Schwerpunkten vorzunehmen:

  • Definition des „Kandidaten für ein Amt“ und Erweiterung der Strafbarkeit auf solche Kandidaten für ein Amt;
  • Einführung des Straftatbestands „Mandatskauf“;
  • Einführung einer zusätzlichen Qualifikation bei 300.000 Euro übersteigendem Wert des Vorteils bei sämtlichen Korruptionsdelikten des öffentlichen Bereichs.

In unserer Stellungnahme zu diesem Entwurf haben wir angemerkt, dass die Definition des „Kandidat für ein Amt“ (= potentiell zukünftiger Amtsträger) verbesserungsbedürftig ist, weil sie unbestimmte Begriffe enthält, was vor allem im Bereich des Strafrechts vermieden werden soll. Zudem sollte in diese Definition ua nicht jene Personen fallen, die sich für eine Stelle in einem Unternehmen bewerben, das irgendeiner Art von Rechnungshofkontrolle unterliegt. Denn nach dem StGB sind Dienstnehmer und Organe solcher Unternehmen Amtsträger.

Der Entwurf enthält zudem eine markante Erhöhung der Verbandsstrafe. Dies hat nichts mit dem Korruptionsstrafrecht zu tun. Zudem entspricht dieser Punkt nicht dem Regierungsprogramm und wird daher seitens der WKO abgelehnt. 

Dr. Artur Schuschnigg 


Wiener Zeitung 

Seit vielen Jahren ist es der Wirtschaftskammer ein besonderes Anliegen, dass die Pflichtveröffentlichungen der Unternehmen im Amtsblatt zur Wiener Zeitung gestrichen werden. Dies vor allem unter dem Aspekt, dass es keine sachliche Rechtfertigung sein kann, dass die österreichischen Unternehmen eine Zeitung des Bundes querzusubventionieren haben. Zudem hat die Republik in den letzten Jahren ihre eigenen Pflichtveröffentlichungen sukzessive mit dem Argument gestrichen, dass diese Publikationsform nicht mehr zeitgemäß sei, die Information sowieso digital veröffentlicht werde und Kosten einzusparen seien.

Auch mit vielen Regierungsprogrammen wurde die Abschaffung paktiert, nunmehr sind wir einen Schritt weiter, weil das Bundeskanzleramt seinen Ministerialentwurf eines Bundesgesetzes über die Wiener Zeitung GmbH und Einrichtung einer elektronischen Verlautbarungs- und Informationsplattform des Bundes (WZEVI-Gesetz) zur Begutachtung veröffentlicht.

Werden nunmehr zwar die Veröffentlichungspflichten von der Papierform im Amtsblatt zur Wiener Zeitung auf die elektronischen Verlautbarungs- und Informationsplattform des Bundes verlagert, ist diese Art der Veröffentlichung jedoch für die österreichischen Unternehmen kostenfrei, so ist dies ausdrücklich zu befürworten, aber ebenso eindeutig und klar im Gesetz zu verankern.

Der redaktionelle Teil der ältesten noch erscheinenden Tageszeitung der Welt ist von hoher redaktioneller Qualität, jedoch hat es die Wiener Zeitung in den vergangenen Jahrzehnten nie geschafft, sich auf eigenständigen wirtschaftlichen Fundamenten aufzustellen. Dieses Manko kann allerdings keine Rechtfertigung dafür sein, dass die österreichischen Unternehmen weiterhin das Bestehen der Zeitung durch die Kosten der Pflichtveröffentlichungen mit 19 Mio. Euro pro Jahr querzufinanzieren hätten. 

Im Begutachtungsprozess wurde von mancher Seite ein Fortbestand der täglichen Printausgabe der Wiener Zeitung gefordert. Sachlich rechtfertigen lässt sich das aber mit dem Argument, dass es sich um die älteste, noch bestehende Tageszeitung der Welt handelt, nie und nimmer. 

Kritisch zu sehen ist der Umstand, dass die Wiener Zeitung weiterhin (offensichtlich auf privatrechtlicher Grundlage) berechtigt ist, Unternehmen Bedingungen inkl. technischer Voraussetzungen vorzuschreiben, die die zu veröffentlichenden Informationen zu erfüllen haben. Die Herstellung dieser Informationen in der von der Wiener Zeitung vorgegebenen Art kann sehr wohl einen Kostenaufwand für die zur Veröffentlichung verpflichteten Unternehmen verursachen. 

Nach dem Prinzip der einmaligen Erfassung („once only“) sollten zumindest alle Informationen, die von Unternehmen nicht direkt an die Wiener Zeitung zur Veröffentlichung übermittelt werden, keinerlei weiteren Aufwand für Unternehmen auslösen. So sollte es zB ausreichend sein, dass Daten inhaltlich und formell korrekt an das Firmenbuch übermittelt werden. Alles Weitere soll keinesfalls Aufgabe der Unternehmen sein.

Nun mehr wurde ein entsprechender Initiativantrag im Nationalrat eingebracht. Das Gesetz soll mit 1.7.2023 in Kraft treten.

Dr. Artur Schuschnigg 


Europäische Kommission: Vorschlag für eine Richtlinie zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Insolvenzrechts 

Die Europäische Kommission hat einen Vorschlag für eine Richtlinie zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Insolvenzrechts veröffentlicht. 

Nach Ansicht der Kommission gilt das Fehlen harmonisierter Insolvenzregelungen seit langem als eines der Haupthindernisse für den freien Kapitalverkehr in der EU und für eine stärkere Integration der EU-Kapitalmärkte. 

Erstes, inhaltliches Kapitel („Title II“) ist das über Anfechtungsklagen. Die Richtlinie hindert die Mitgliedstaaten nicht daran, Bestimmungen über die Nichtigkeit, Anfechtbarkeit oder Nichtvollstreckbarkeit von Rechtshandlungen zum Nachteil der Gesamtheit der Gläubiger im Rahmen eines Insolvenzverfahrens zu erlassen oder beizubehalten, wenn diese Bestimmungen einen größeren Schutz der Gesamtheit der Gläubiger bieten als die in diesem Kapitel genannten. Vermutlich wird diese Abwägung insb. in Bezug auf die §§ 27 ff. IO nicht ganz einfach werden. 

Anliegen ist weiters („Titel III“) das Aufspüren von Vermögenswerten der Insolvenzmasse zu erleichtern. Dazu dient unter anderem der Zugriff auf bestimmte Bankkontoinformationen (auch in anderen Mitgliedstaaten), auf Informationen über den wirtschaftlichen Eigentümer und auf nationale Vermögensregister. 

Ein „Pre-Pack-Verfahren“ soll nach der Kommission aus zwei Phasen bestehen: Zunächst eine Vorbereitungsphase, die darauf abzielt, einen geeigneten Käufer für das insolvente Unternehmen oder Teilen davon zu finden. Sodann eine weitere Phase, die auf die Genehmigung und Durchführung dieses Kaufs abzielt und an die die Ausschüttung des Erlöses an die Gläubiger folgt. Auf Antrag des Schuldners ist für das Verfahren ein Aufsichtsorgan („monitor“) zu bestellen. Kritisch könnte in diesem Zusammenhang es angesehen werden, dass der Käufer unter bestimmten Bedingungen noch zu erfüllende Verträge zu übernehmen hat und nur das Gericht beschließen kann, diese zu kündigen. 

In einem weiteren Kapitel („Titel V“) wird die Pflicht des Geschäftsführers, die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu beantragen, determiniert (3-Monats-Frist). 

Ein besonderes Anliegen der Kommission ist die Vereinfachung der Liquidation von Kleinstunternehmen („Titel VI“). In einem solchen Verfahren soll der Kleinstunternehmer seine Eigenverwaltung behalten. Wesentlich und kritisch ist, dass in vereinfachten Liquidationsverfahren der Unternehmer sowie Gründer, Eigentümer oder Gesellschafter eines Schuldners, die persönlich für die Schulden haften, vollständig von ihren Schulden befreit werden sollen. 

Anzumerken ist, dass die österreichische Gesetzeslage und Insolvenzpraxis anerkannter Maßen von hoher Qualität sind. Insolvenzverfahren werden rasch, effizient und hoch professionell abgewickelt. Sie gewähren (mit Ausnahmen im Bereich der Insolvenzen von Einzelpersonen) einen ausgewogenen Interessenausgleich zwischen Schuldner und Gläubiger. 

Rund ein Viertel aller eröffneten Insolvenzverfahren mündet in einem Sanierungsplan. Hierbei erhält einerseits das schuldnerische Unternehmen die „second chance“ und kann nach einem Schuldenschnitt fortgeführt werden, andererseits bekommen die Gläubiger eine Mindestquote von 20 % ihrer angemeldeten und festgestellten Forderungen. Die Sanierungsverfahren werden zudem binnen maximal 120 Tagen nach der Insolvenzeröffnung abgeschlossen. Somit ist sowohl die schnelle Verfahrensdauer als auch die generelle Durchschnittsquote aller Firmeninsolvenzverfahren mit rund 12 % europaweit Spitze. 

Nach der Begründung des Richtlinienvorschlags sollen 10 bis 20 % der 120.000 bis 150.000 jährlichen EU-Insolvenzfälle eine grenzüberschreitende Kreditvergabe beinhalten.[1] Abgesehen davon, dass dieser Prozentsatz - auch in seiner Bandbreite - aus Sicht der Praxis außerordentlich hoch erscheint, fehlen zu diesen Zahlen Quellenangaben. Wird allerdings die Richtigkeit dieser Angaben unterstellt, so zeigt sich in beeindruckendem Maße, dass der Kapitalmarkt sehr wohl gut funktioniert. Die Zahlen belegen, dass Investoren offensichtlich sich keineswegs abschrecken lassen, grenzüberschreitend dort zu investieren, wo sie weniger vertraut mit dem jeweiligen Insolvenzrecht sind. Damit ist auch evident, dass der Binnenmarkt funktioniert. Interessant wäre in diesem Zusammenhang eine Angabe darüber gewesen, um welche Kreditsumme es sich in diesen Fällen handelt. 

Investoren sind nicht die einzigen Akteure, die von einer Insolvenz eines Unternehmens betroffen sind. In dem Vorschlag und den ihn begleitenden Dokumenten fehlen, soweit ersichtlich, Ausführungen dahingehend, welche allenfalls negativen Auswirkungen der Vorschlag auf andere Betroffene haben kann, neben dem Unternehmen selbst etwa Lieferanten, Arbeitnehmer, Kunden, andere Vertragspartner und Gebietskörperschaften. 

Ist es ein offensichtliches Ziel der Kommission, durch den Vorschlag Mikrounternehmen in ihrer Insolvenz zu unterstützen, so ist die dafür herangezogene Begründung der Stärkung der Kapitalmarkunion verfehlt. Denn Microunternehmen werden kaum ein attraktives Ziel für grenzüberschreitend tätige Investoren darstellen, jedenfalls nicht in einem Umfang, der ein Tätigwerden der Kommission in der geplanten Art und Weise zu rechtfertigen vermag.

Überzeugende Gründe, ein Pre-pack-Verfahren einem formellen Insolvenzverfahren voranzuschalten, sind nicht ersichtlich. Es ist auch im Interesse des insolventen Unternehmens, dass solche Verkaufsanstrengungen innerhalb eines förmlichen Insolvenzverfahrens (auch mit all den Schutzmechanismen für das insolvente Unternehmen) abgeschlossen werden. Denn wird eine Verkaufsabsicht eines Unternehmens im Rahmen eines Pre-pack-Verfahrens bekannt (was zweifellos der Fall ist, ansonsten potentielle Käufer nicht davon erfahren), erfolgen zwangsläufig die entsprechenden Reaktionen insb. der Gläubiger. 

Eine insolvenzrechtliche Sonderbehandlung von Kleinstunternehmen wird abgelehnt. Dies auch deshalb, weil das bestehende österreichische Insolvenzrecht flexibel genug ist, auf die unterschiedlichen Herausforderungen zu reagieren. 

Nicht nur Kleinstunternehmen, sondern ganz allgemein sind Unternehmen von den Zahlungen ihrer Kunden abhängig. Die höhere Ausfallswahrscheinlichkeit ist häufig nicht aus Eigenheiten als Kleinstunternehmen per se begründet, sondern auf den empirisch nachgewiesenen Befund, dass diese Unternehmen überproportional häufig mit zu wenig Kapital in ihr unternehmerisches Dasein starten. Zudem wird häufig bei Kleinstkapitalgesellschaften durch die jeweiligen Organe keine gesetzeskonforme, saubere Trennung zwischen Gesellschaftseigentum und Privateigentum vorgenommen, weil der Eigentümer fast immer auch vertretungsbefugtes Organ ist. Fehlt es etwa an einer ordnungsgemäß geführten Buchhaltung, darf es nicht verwundern, dass ein überproportionaler Aufwand für die Klärung im Insolvenzfall besteht. Denn nur so können allfällige Malversationen aufgedeckt und allenfalls im Sinne der Stärkung der Insolvenzmasse verfolgt werden.  

Auch diese Beispiele zeigen, dass es unangebracht ist, die gesetzeswidrige Führung eines Kleinstunternehmens im Insolvenzfall auch noch „zu belohnen“, in dem das Insolvenzverfahren zum Nachteil der geschädigten Gläubiger zusätzlich vereinfacht wird. Eine angemessene und verhältnismäßige Behandlung steht in diesen Fällen vor allem den Gläubigern zu. In Grenzfällen wird zudem eine Beurteilung schwer sein, ob überhaupt ein Kleinstunternehmen vorliegt oder nicht. Das hat auch etwas damit zu tun, dass in diesen Fällen häufig keine Bilanzen der letzten Jahre beim Firmenbuch eingereicht wurden (was ebenfalls einen Gesetzesbruch darstellt). In diesem Regelungsansatz besteht zudem keine Kompetenz der Union, weil davon ausgegangen werden kann, dass Kleinstunternehmen nicht Ziel grenzüberschreitender Investitionen sind. Daher geht die Begründung der Union, der gegenständliche Rechtsakt sei für die Stärkung der Kapitalmarktunion notwendig, in diesen Fällen fehl. 

Es ist zu befürchten, dass ohne Insolvenzverwalter in seiner Funktion als zentraler Ansprechpartner im Insolvenzverfahren ein geordnetes Verfahren schwer durchzuführen ist. Besonders die Behandlung (teil-)gesicherter Gläubiger, nachrangiger Gläubiger und Dienstnehmer bedarf der neutralen Instanz eines Insolvenzverwalters. Gläubiger können einen Insolvenzverwalter beantragen, müssen diesfalls aber dessen Kosten tragen. Dies ist Gläubigern, die ohnedies schon einem (teilweisen) Forderungsverlust ausgesetzt sind, nicht zumutbar. 

Wir sind der Meinung, dass in jedem Insolvenzverfahren zur Wahrung des Interessenausgleichs ein Insolvenzverwalter bestellt werden muss. Ansonsten läuft man schnell Gefahr – noch mehr bei Belassung der Eigenverwaltung durch den Schuldner –, dass Gläubigerinteressen benachteiligt werden, strafrechtliche Tatbestände nicht aufgedeckt und weitere Vermögensverschleuderungen oder –verschiebungen nicht verhindert werden können. Zudem werfen wir die Frage auf, warum Schuldner, die offenkundig zu spät einen Insolvenzantrag gestellt haben und daher nicht einmal den Kostenvorschuss für die Verfahrenskosten tragen können, solch ein Privileg erhalten sollen. Vielmehr stellen sich hier Fragen nach Insolvenzverschleppung und anderer Straftatbestände gemäß §§ 156 ff. StGB. Da ca. 92 % der österreichischen Unternehmen unter die Definition von Kleinstunternehmen fallen, würden wesentliche Säulen und Grundsätze des österreichischen Insolvenzrechts über Bord geworfen. 

Die vorgeschlagenen Bestimmungen führen nicht nur zu einem unverhältnismäßigen Nachteil für die Gläubiger. Sie würden darüber hinaus dazu führen, dass Kleinstunternehmen keinerlei nachteilige Folgen zu gegenwärtigen haben, wenn sie nicht bzw. nicht fristgerecht einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens stellen würden. Sie könnten „weiterwursteln“ und dadurch den Schaden vergrößern – im Extremfall so lange, bis alle relevanten Verträge aufgrund Nichtzahlung gekündigt werden. Dies ist weder im Sinne der betroffenen Gläubiger noch einer geordneten Rechtspflege. Es sollte selbstverständlich sein, dass auch von Kleinstunternehmen die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften erwartet werden kann. Schon aufgrund ihrer mengenmäßig großen Anzahl führt ihr Insolvenzgeschehen zu einem häufig unterschätzten Einfluss auf die jeweilige Volkswirtschaft. Umso wichtiger ist es daher, diese Gruppe von Unternehmen nicht aus dem bestehenden Insolvenzregime herauszunehmen und zu privilegieren. 

Selbst wenn dem Argument gefolgt wird, dass es sinnvoll ist, jedenfalls auch bei nicht (ausreichend) vorhandenem Vermögen das Insolvenzverfahren durchzuführen (sohin auf Kosten der Allgemeinheit), so sollte jedenfalls nicht letztlich die Konsequenz sein, dass alle persönlichen Haftungen untergehen. In diesen Fällen ist es auch nicht angeraten, dem Schuldner weiterhin die Eigenverwaltung zu belassen. Vielmehr sollte zwingend ein Insolvenzverwalter bestellt werden. In anderen Fällen sollten die allgemeinen insolvenzrechtlichen Bestimmungen gelten. 

Nachdrücklich wird ein Mitgliedstaatenwahlrecht abgelehnt, nach der die Anwendung der Sondervorschriften für Kleinstunternehmen auch auf kleine und mittlere Unternehmen ausgedehnt werden darf. Bei einem Anteil von über 99 % an Einpersonen- und KM-Unternehmen wäre damit das geltende Insolvenzrecht nur noch in einem marginalen Bereich voll anwendbar. Ein zu schuldnerfreundliches Insolvenzrecht schädigt massiv die Interessen der Gläubiger, die häufig damit selbst in Gefahr laufen, insolvent zu werden (Dominoeffekt). 

Zu einer vollkommenen Entwertung persönlicher Haftungen würde der Vorschlag der Kommission führen, dass Personen, die an sich für Schulden eines Kleinstunternehmens (mit unbeschränkter Haftung) haften, nicht mehr für unbefriedigte Forderungen nach Insolvenz des Kleinstunternehmens haften sollen. Dies würde schnell dazu führen, dass diese Kleinstunternehmen keinerlei Finanzierungsrahmen mehr erhalten würden, was nicht im Sinne der Kommission sein dürfte. Verfügen diese Personen über einen Haftungsfonds, sollte dieser jedenfalls den Gläubigern zur Verfügung stehen. Es wäre höchst fragwürdig, in diesen Fällen das wirtschaftliche Risiko des Kleinstunternehmens vollkommen und ohne wenn und aber auf dessen Gläubiger abzuwälzen. Folge einer Haftungsfreistellung wäre auch eine weitere Verzögerung der Antragstellung. In vielen Fällen bestehen Haftungen zB eines Geschäftsführers aufgrund gesetzlicher Bestimmungen. Dies auch, um dieses Organ dazu anzuhalten, gesetzeskonform zu agieren - beispielsweise Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitnehmer rechtzeitig und in voller Höhe zu bezahlen. Warum soll in diesen Fällen die Allgemeinheit das Risiko aufgebürdet erhalten? Niemand wird gezwungen, ein Unternehmen zu führen. Aber es sollte nicht zur Regel werden, ein Unternehmen ohne eigenes unternehmerisches Risiko führen zu können.  

Weiters ist im Hinblick auf die in den letzten Jahren erfolgten Erleichterungen der Schuldbefreiung im österreichischen Insolvenzrecht (Stichwort: Entfall der Mindestquote 2017, Verkürzung der Abschöpfungsfrist 2021) nicht einzusehen, warum bereits jetzt weitere Erleichterungen bei der persönlichen Entschuldung stattfinden sollen.  

Dr. Artur Schuschnigg 


Gesellschaftsrechtliches Digitalisierungsgesetz 2022 

Die Richtlinie (EU) 2019/1151 zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 im Hinblick auf den Einsatz digitaler Werkzeuge und Verfahren im Gesellschaftsrecht, ABl. Nr. L 186 vom 11.07.2019 S. 80, (im Folgenden: „Richtlinie“) wurde mit dem Gesellschaftsrechtliches Digitalisierungsgesetz 2022 umgesetzt.

Zentrales Anliegen der Richtlinie ist es, die Gründung von (Kapital-)Gesellschaften, die Eintragung von Zweigniederlassungen solcher Gesellschaften in anderen Mitgliedstaaten sowie die spätere Einreichung von Urkunden und Informationen zum jeweiligen nationalen Unternehmensregister vollständig online zu ermöglichen.

Vielen Vorgaben der Richtlinie wird bereits durch die geltende österreichische Rechtslage entsprochen. ZB: 

  • Die geforderte Online-Gründung einer Kapitalgesellschaft ist schon derzeit in zwei Varianten möglich: Nach § 4 Abs. 3 GmbHG in Verbindung mit § 69b Notariatsordnung (NO) kann eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung „unter Nutzung einer elektronischen Kommunikationsmöglichkeit“ gegründet werden. Bei dieser Art der Gründung kann der Abschluss des Gesellschaftsvertrags bzw. die Abgabe der Errichtungserklärung, die beide der Form eines Notariatsakts bedürfen, ohne gleichzeitige physische Anwesenheit der Gründer und des Notars an einem bestimmten Ort erfolgen. Der gesamte Gründungsprozess einer GmbH kann ausschließlich digital unter Einbindung eines Notars durchlaufen werden.
  • Was die geregelten Muster für die Online-Gründung betrifft, so steht ein solches Muster für die vereinfachte elektronische Gründung nach § 9a GmbHG im USP bereits jetzt in der Form zur Verfügung, dass der Gründer nur bestimmte Daten eingeben muss, aus denen die Applikation sodann automatisch die Errichtungserklärung und die Anmeldung zum Firmenbuch generiert.
  • Die Online-Einreichung von Urkunden und Informationen zum Register ist in bestimmten Fällen ebenfalls bereits möglich. 

Über Anmeldungen hat das Firmenbuchgericht grundsätzlich ehestmöglich zu entscheiden, wobei diese Entscheidung – sofern nicht ausnahmsweise eine Überweisung an das zuständige Gericht zu erfolgen hat – auf Bewilligung, Abweisung oder Erteilung eines Verbesserungsauftrags lauten kann. Kann die Entscheidung nicht innerhalb von fünf Arbeitstagen erfolgen, ist der Antragsteller unverzüglich davon zu verständigen. 

Nach der Richtlinie dürfen die Mitgliedstaaten weiterhin eine Veröffentlichung von zum Register eingereichten Urkunden und Informationen verlangen. Dann muss allerdings das Register dafür sorgen, dass die Urkunden und Informationen in elektronischer Form an das Amtsblatt übermittelt werden (so genannter „Grundsatz der einmaligen Erfassung“). 

Das bedeutet, dass auch die in § 277 Abs. 2 geregelte Verpflichtung zur Veröffentlichung des vollständigen Jahresabschlusses einer großen Aktiengesellschaft im Amtsblatt zur Wiener Zeitung grundsätzlich beibehalten werden kann. Entsprechend dem Grundsatz der einmaligen Erfassung muss es aber möglich sein, dass die Gesellschaft den Jahresabschluss nur beim Register – in Österreich also beim Firmenbuchgericht – einreicht, das die Weiterleitung an das Amtsblatt – d.h. an die Wiener Zeitung – vornimmt. Großen Aktiengesellschaften wird somit künftig ein Wahlrecht eröffnet werden: Sie können die Veröffentlichung des Jahresabschlusses im Amtsblatt zur Wiener Zeitung entweder wie bisher selbst veranlassen oder bei der Einreichung der Unterlagen der Rechnungslegung zum Firmenbuch verlangen, dass das Gericht die Übermittlung an die Wiener Zeitung vornimmt. Dazu müssen sie der Einreichung den Jahresabschluss auch in einer abdruckfähigen elektronischen Fassung anschließen. 

Bedauerlich ist, dass nicht schon mit dieser Umsetzung die Pflichtveröffentlichungen gestrichen worden sind (siehe dazu den Beitrag zur Wiener Zeitung).  

Auch die weiterhin grundsätzlich geltende Notariatsaktspflicht etwa für die Gründung einer GmbH und die Übertragung von GmbH-Geschäftsanteilen wird durch die gegenständliche Richtlinienumsetzung nicht tangiert. Diesbezüglich bestehen seit Jahren Forderungen nach grundlegenden Erleichterungen. 

Dr. Artur Schuschnigg 


Europäische Kommission: Konsultation Statut für länderübergreifende Europäische Vereine und Organisationen ohne Erwerbszweck

Das Europäische Parlament (EP) hat eine Entschließung an die Kommission zu einem Statut für länderübergreifende Europäische Vereine und Organisationen ohne Erwerbszweck angenommen. Aufgrund dessen hat die Kommission eine Sondierung zu diesem Thema sowie eine öffentliche Konsultation gestartet.

Die Entschließung des EP zielt darauf ab, die grenzüberschreitende Tätigkeit europäischer Vereine und Organisationen ohne Erwerbszweck („non-profit organisations“ – „NPO“) zu erleichtern. 

Die Kommission führt dazu aus: „In ganz Europa gibt es eindeutig viele Vereine, die in unterschiedlichen Bereichen tätig sind. Diese Vereine haben auch eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung. So beschäftigten Vereine in Frankreich im Jahr 2018 2,2 Millionen Menschen und machten 4,7 % des BIP aus. Angesichts der Bedeutung der Vereine verursacht die derzeitige Zersplitterung der für sie geltenden Vorschriften wirtschaftliche Kosten für den Binnenmarkt und gefährdet letztlich das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts für den gemeinnützigen Sektor. Darüber hinaus sind Vereine von entscheidender Bedeutung für die Verbreitung von Grundrechten und der Kultur der Wahrung der Rechtsstaatlichkeit. Die Hindernisse, mit denen Vereine konfrontiert sind, wenn sie grenzüberschreitend tätig sind, können sich negativ auf ihre Fähigkeit auswirken, ihre Arbeit auszuführen. Infolgedessen schränken diese Hindernisse den Handlungsspielraum der Zivilgesellschaft in der gesamten EU ein.“

Die WKÖ hat eine klar ablehnende Stellungnahme zu diesem Vorhaben verfasst. Denn die Initiative der Kommission verkennt eines der Hauptmerkmale von Vereinen: Ihre Tätigkeit ist ideeller Natur. Es ist ihnen grundsätzlich untersagt, wirtschaftlich tätig zu werden. Die von der Kommission angepeilte neue Rechtsform entspricht in ihrem Kern nicht dem Wesen eines Vereins, sondern stellt eine neue Unternehmensform dar.

Der Umstand, dass es in vielen Bereichen, wie etwa auch des Rechts der Vereine, 27 unterschiedliche nationale Regelwerke gibt, rechtfertigt für sich allein keineswegs die Erlassung vereinheitlichender unionsrechtlicher Normen. Denn damit würde jeder Unterschied, soweit der Beschränkungen und Hindernisse innerhalb der Union verursachen könnte, nach Ansicht der Kommission die Union zur Erlassung von EU‑Verordnungen und EU‑Richtlinien berechtigen. Mit dieser Argumentationslinie wären alle Rechtsbereiche betroffen, weil alle geeignet sind, derartige Beschränkungen und Hindernisse darzustellen. Eine solche uferlose Kompetenz wird der Union allerdings gerade nicht durch die Verträge eingeräumt. 

Ausführungen des EP, nach denen insb. die Vereinigungs-, Meinungs- und Informationsfreiheit in unzulässiger Weise in der gesamten Union eingeschränkt seien, sind als Pauschalurteil ohne fundierte Grundlage zurückzuweisen.

Nach der Entschließung des EP wäre jedenfalls eine wirtschaftliche Tätigkeit auch als Hauptzweck eines Europäischen Vereins zulässig. Somit entspricht die angepeilte neue Rechtsform eines Europäischen Vereins in mehrfacher Hinsicht nicht dem österreichischen Verständnis eines Vereins. Dies beispielsweise einerseits deswegen, weil der ideelle Vereinszweck dem Europäischen Verein vollkommen fehlt und andererseits dem Europäischen Verein in sehr weitem Umfang wirtschaftliche Tätigkeiten erlaubt sein sollen. Die Mitgliedschaft soll auf einer privaten Vereinbarung beruhen, allerdings dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung unterliegen (was unseres Erachtens der Vereinigungsfreiheit widerspricht).

Die Bedeutung der wirtschaftlichen Tätigkeit derartiger Europäischer Vereine wird in den Dokumenten ausdrücklich hervorgehoben, in dem etwa angeführt wird, dass die Rechtsform eines Europäischen Vereins auch für die Vollendung des Binnenmarkts erforderlich sei oder dass die EU tätig werden muss, um bestehende Hindernisse und Beschränkungen für die grenzüberschreitende Tätigkeit von Vereinen im Binnenmarkt zu beseitigen.

Dass der Gewinn nicht unter den Mitgliedern, Gründern oder anderen privaten Parteien verteilt werden darf, ändert nichts an der Unternehmereigenschaft. Hinlänglich bekannt sind zudem diverse Konstruktionen, aufgrund derer auch ohne explizite Ausschüttung von Gewinnen wirtschaftliche Vorteile in mitunter erheblichem Ausmaß etwa an Mitglieder und Organe derartiger Körperschaften ausgekehrt werden. Solchen Missbräuchen wäre jedenfalls zu begegnen, was etwa auch dadurch erreicht werden könnte, dass einem Europäischen Verein jegliche wirtschaftliche Tätigkeit ausdrücklich verboten wird.

Wird diese neue Rechtsform etabliert, wäre sicherzustellen, dass ein Europäischer Verein keinerlei Privilegien welcher Art auch immer im Vergleich zu bestehenden europäischen und nationalen Unternehmensformen eingeräumt erhält. Wird ein Europäischer Verein in irgendeiner Art und Weise wirtschaftlich tätig, hat dies unter denselben rechtlichen Rahmenbedingungen zu erfolgen, die für alle (anderen) Unternehmen ebenfalls gelten. Alles andere würde zu einer ungerechtfertigten Wettbewerbsverzerrung führen.

Einem Europäischen Verein kann nach dem Verordnungsentwurf des Europäischen Parlaments über Antrag der Status der Gemeinnützigkeit zuerkannt werden. Ist mit diesem Status die Verpflichtung verbunden, einen Europäischen Verein in gleicher Weise zu behandeln, wie Rechtspersonen, denen in diesem Mitgliedstaat ein entsprechender Status zuerkannt wurde, so würde damit etwa in unzulässiger Weise in das Steuerrecht des jeweiligen Mitgliedstaats eingegriffen werden. Daher ist eine derartige Regelung nachdrücklich abzulehnen. Die Frage der Gemeinnützigkeit und der damit verbundenen Folgen ist ausschließlich nach dem nationalen Recht zu beurteilen.

Handlungen, die von Mitgliedern des Vorstands im Namen des Europäischen Vereins vorgenommen haben, haben nach den allgemeinen Grundsätzen uneingeschränkt den Verein gegenüber Dritten (inkl. Behörden und Gerichten) zu binden und nicht lediglich im Umfang der intern erteilten Befugnisse. Denn externe Dritte haben keinerlei bzw. kaum Einblicke in interne Strukturen und erteilte Handlungsspielräume. Sie haben zudem keinerlei Chancen, objektiv von anderen als von den ihnen gegenüber auftretenden Vorstandsmitgliedern über allfällige Einschränkungen Informationen zu erhalten. Verstoßen die Mitglieder gegen die ihnen intern auferlegten Beschränkungen, können sie gegenüber dem Europäischen Verein schadenersatzpflichtig werden.

Auffallend ist, dass einem Europäischen Verein keinerlei Mindestkapitalausstattung vorgeschrieben wird. Eine solche wird, insb. dort, wo keine persönliche Haftung der Vereinsmitglieder für Vereinsschulden vorgesehen wird, als sinnvoll und notwendig angesehen. 

Dr. Artur Schuschnigg 


Überarbeitung der Zahlungsverzugsrichtlinie (RL 2011/7/EG) 

Die Zahlungsverzugsrichtlinie beinhaltet Regelungen zur Bekämpfung des Zahlungsverzugs im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen (B2B) und zwischen öffentlichen Stellen und Unternehmen (G2B). Die Richtlinie verfolgt das Ziel, einen „durchgreifenden Wandel hin zu einer Kultur der unverzüglichen Zahlung“ zu fördern. Die Evaluierungen und Bewertungen der EU-Kommission haben ergeben, dass die Richtlinie einige Mängel aufweist. Vor diesem Hintergrund möchte die EU-Kommission Maßnahmen zur Verbesserung ergreifen, die sie auf drei Säulen aufteilt:  

  1. Verankerung des Verhaltens unverzüglicher Zahlungen. Konkrete Maßnahmen könnten umfassen: Begrenzung der Zahlungsfristen im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen; Einführung strengerer Abschreckungsmaßnahmen (automatische Zinszahlung, Erhöhung des Zinssatzes, Klarstellung der Vorschriften für Pauschalvergütungen); Klarstellung der Vorschriften zu Überprüfungsverfahren; Definition unlauterer Praktiken und Klauseln; öffentliche Auftraggeber müssen sicherstellen, dass Generalunternehmer ihre Subunternehmer rechtzeitig bezahlen.
  2. Erleichterung rechtzeitiger Zahlungen durch die Förderung der Nutzung moderner digitaler Zahlungsinstrumente und die Schaffung eines KMU-freundlichen Geschäftsumfelds, das fristgerechte Zahlungen unterstützt. Konkrete Maßnahmen könnten umfassen: Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Einführung moderner digitaler Zahlungsinstrumente; Erleichterung der Verfügbarkeit von bzw. des Zugangs zu Schulungen im Bereich Debitorenmanagement und (auch digitaler) Finanzkompetenz für KMU; Festlegung gemeinsamer Mindestkriterien in Bezug auf Regelungen für unverzügliche Zahlungen; Einrichtung einer EU-Beobachtungsstelle für Zahlungen; Belohnung unverzüglicher Zahlungen bei öffentlichen Vergabeverfahren.
  1. Stärkung der Prävention und Durchsetzung, damit unverzügliche Zahlungen in allen Geschäftszweigen zur Norm werden. Festlegung wirksamer Rechtsbehelfe gegen bestehenden Zahlungsverzug („reaktiver“ Ansatz). Konkrete Maßnahmen könnten umfassen: umfassendere Nutzung von Mediationsmechanismen zur schnelleren Beilegung von Zahlungsstreitigkeiten bei gleichzeitigem Schutz der Geschäftsbeziehungen; die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten benennen nationale Stellen, die Beschwerden bearbeiten und amtliche Durchsetzungsmaßnahmen einleiten; Einführung verwaltungsrechtlicher Sanktionen. 

Bis zum 17.3.2023 konnte der EU-Kommission im Rahmen eines öffentlichen Konsultationsverfahrens Rückmeldung zu den geplanten Initiativen gegeben werden. Ein Entwurf zu legislativen Maßnahmen wird für das dritte Quartal 2023 erwartet.  

Dr. Agnes Balthasar-Wach / Mag. Gabriele Benedikter


Mehr Rechtssicherheit bei Vergabe von Senior:innenkrediten – Änderung des Hypothekar- und ImmobilienkreditG 

Banken sind gesetzlich zur umfänglichen Prüfung der Kreditwürdigkeit verpflichtet und dürfen einen Hypothekarkredit nur vergeben, wenn es wahrscheinlich ist, dass der Kredit in der vertraglich vereinbarten Weise zurückgezahlt wird. Diese strenge Vorgabe ist vom Gesetzgeber zwar gut gemeint, hat aber in der Praxis zu Unsicherheit und dazu geführt, dass den Kreditgebern von manchen sogar „Alterdiskriminierung“ unterstellt wurde. Durch eine Änderung des HIkKrG (Hypothekar- und ImmobilienkreditG) soll diese Problematik gelöst und die Kreditvergabe an Senior:innen erleichtert werden, wenn es wahrscheinlich ist, dass zu Lebzeiten vertragsgemäß zurückgezahlt werden kann und ausreichende Sicherheiten bestehen. Die entsprechende Regierungsvorlage, die demnächst auch im Parlament behandelt werden soll, finden Sie hier: Hypothekar- und Immobilienkreditgesetz und Rechtsanwaltsordnung (1946 d.B.) | Parlament Österreich

Mag. Huberta Maitz-Strassnig 


Fitness Check zum europäischen Verbraucherrecht – Konsultation der Kommission zur digitalen Fairness 

Die Europäische Kommission hat neuerlich einen Fitness Check zum europäischen Verbraucherrecht gestartet. Diesmal erfolgt diese Eignungsprüfung, die drei Richtlinien umfasst (RL 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken -UGP-RL; RL 2011/83/EU über Rechte der Verbraucher; RL 93/13/EWG über missbräuchliche Vertragsklauseln), unter dem Blickwinkel der „digitalen Fairness“.

In der dazu durchgeführten öffentlichen Konsultation wurden unterschiedlichste Themenkreise angesprochen, wie unter anderem „dark patterns“. Dabei handelt es sich zB um Designs von Webseiten, bei denen die Auswahlmöglichkeiten irreführend dargestellt werden. Zur Diskussion stellt die Kommission ua die Idee, dass Unternehmen für ihre Allgemeine Geschäftsbedingungen immer auch eine „einfache“ Zusammenfassung erstellen sollen. Überlegungen gehen auch dahin, Verbrauchern ua die Kündigung von Verträgen zu erleichtern, und dafür die Unternehmen zu verpflichten, spezifische Schaltflächen (= button) auf ihren Webseiten einzurichten.

Aus unserer Sicht stellt sich die Art der Fragestellungen zum Teil dahingehend tendenziös dar, als diese bereits von der Prämisse auszugehen scheinen, dass erneut Regelungsnotwendigkeiten bestehen, obwohl die bestehenden Verbraucherschutzbestimmungen bereits einen umfassenden Schutz bieten und zwar sowohl im offline- als auch online-Bereich. So können etwa unerwünschte Verhaltensweisen, die Dark Patterns entsprechen, bereits grundsätzlich durch die flexiblen Regelungen gegen unlauteren Geschäftspraktiken nach der UGP-RL begegnet werden. Allfällig bestehende Mängel sind daher eher Defiziten der Rechtsdurchsetzung als der Rechtssetzung geschuldet.

Gravierende Probleme würden sich durch eine Verpflichtung zur Erstellung einer Zusammenfassung von AGB ergeben, zumal es aufgrund der zunehmend schwierigen Rechtslage und der immer strikter gewordenen Judikatur derzeit schon fast unmöglich ist, AGB so zu gestalten, dass diese dem Transparenzgebot entsprechen und auch nicht als missbräuchlich angesehen werden. Eine Zusammenfassung würde diese Probleme potenzieren und durch die Gefahr von (ungewollten) Abweichungen ua zu immenser Rechtsunsicherheit führen.

Generell sollte der Fokus auf eine Vereinfachung der in den letzten Jahren stark angewachsenen, und immer komplexeren verbraucherrechtlichen Vorgaben gelegt werden. Zwingende Vorgaben für die Einrichtung von zB komfortableren Möglichkeiten für die Auflösung von Verträgen oder Erinnerungsservices bei längerer Zeit nicht genutzten Abos schaffen weiteren Aufwand und Rechtsunsicherheit für die Unternehmen, die sich sachlich nicht mit Verbraucherschutzerfordernissen rechtfertigen lassen, sondern Verbrauchern zunehmend jegliche Selbstverantwortung absprechen.

Unsere ausführliche Rückmeldung im Rahmen der Konsultation und unsere Antworten zum Fragebogen finden sie hier:

Mag. Huberta Maitz-Strassnig / Mag. Christian Handig


Empowering Richtlinie

Der RL-Vorschlag zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel, COM(2022)143, wurde bisher auch „ökologischer Wandel-RL“ bezeichnet, mittlerweile setzt sich die Bezeichnung EmpoweringRL durch. Der Vorschlag soll die RL gegen unlautere Geschäftspraktiken 2005/29/EG (UGPRL) und die VerbraucherrechteRL 2011/83/EU (VRRL) ändern. Die EmpoweringRL wird zurzeit im EP und im Rat verhandelt. Zum aktuellen Stand sind insb folgende Entwicklungen bemerkenswert: 

EP: Bzgl der UGPRL sind insb jene Änderungsanträge betreffend Erweiterung der sog „Schwarze Liste“ im Anhang zu erwähnen, sind doch die dort angeführten Tatbestände jedenfalls unzulässig. Einige dieser Änderungsanträge würden auf eine Zensur bestimmter Themen in der kommerziellen Kommunikation hinauslaufen. In diesem Sinn sollen generell Aussagen unzulässig sein,

  • wonach eine Ware oder eine Dienstleistung eine neutrale oder positive Auswirkung auf die Treibhausgasemissionen in der Umwelt hat.
  • die die Nachhaltigkeit betreffen und nicht von einer nationalen oder europäischen Stelle genehmigt worden sind.
  • die allgemeinen sozialen Aussagen sind.

Im Bereich der VRRL zielen mehrere Änderungsanträge auf eine Kennzeichnung bzw ein Siegel über die garantierte Lebensdauer und/oder die Pflicht zur Information über die Laufzeit der gesetzlichen Garantie ab. Hinsichtlich der Informationspflichten über Reparaturen bzw Ersatzteilzugang möchten einige Änderungsanträge des Vorschlages der Kommission ebenfalls ausweiten, etwa hinsichtlich der „Erschwinglichkeit“ von Ersatzteilen, der Verfügbarkeit von Reparaturwerkzeugen und Reparaturdienstleistungen bzw sogar des Verkaufspreises im Verhältnis zum Preis neuer Geräte. Gefordert wird von manchen MEP auch bei diesem Informationspunkt eine „Negativ“-Information, wenn der Hersteller entsprechende Reparaturinformationen nicht bereitstellt. Andere Änderungsanträge schlagen aber auch die Streichung der Informationspflicht über die „Reparaturkennzahl“ vor, zumal die Grundlagen für die Berechnung einer solche ja erst im Rahmen der ÖKO-Design-Regelungen geschaffen werden sollen.

Rat: Im Bereich der UGPRL sind besonders die „ökologische und soziale Auswirkungenzu erwähnen. Diese Wendung ist wesentlich, weil keine unzutreffenden Aussagen dazu durchgeführt werden müssen. Zu beachten ist dabei, dass dies auch für Aussagen gilt, die nicht vorsätzlich getroffen worden sind. Nach neuen Vorschlägen zählen zu diesen „soziale Auswirkungen“ nunmehr, neben Qualität und Fairness der Arbeitsbedingungen und Sicherheit der Arbeitsumgebung, auch

  • ein sozialer Dialog,
  • die Achtung der Menschenrechte (zB keine Zwangs- und Kinderarbeit) und
  • die Gleichbehandlung und Chancengleichheit für alle (zB Integration, Vielfalt und Gleichstellung der Geschlechter) sowie
  • Tierschutz. 

Hinsichtlich der VRRL dürfte – wie man aus Brüsseler Kreisen vernimmt - insbesondere die von der Kommission vorgeschlagene Informationspflicht über das „Nichtbestehen“ einer mehr als zweijährigen Haltbarkeitsgarantie für energiebetriebene Waren intensiv in Diskussion stehen und ebenso die gänzlich neue Idee, für die (positive) Information über das Bestehen einer Haltbarkeitsgarantie eine harmonisierte grafische Darstellung (harmonised graphical format) zu schaffen. Ausführliche WKÖ-Stellungnahme zum RL-Vorschlag 

Mag. Huberta Maitz-Straßnig und Dr. Christian Handig 


Einheitspatent und Einheitliches Patentgericht starten am 1. Juni 2023

Übergangsphase hat mit 1. März 2023 begonnen 

Nach derzeitigem Stand ist der 1. Juni 2023 als langerwarteter Start für das Einheitspatentsystem und das Einheitliche Patentgericht geplant.

Wie wir bereits in unserem letzten Newsletter erläutert haben, bildet ein Europäisches Patent nach dem gegenwärtigen System des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ) nach seiner Erteilung durch das Europäische Patentamt in München (EPA) ein “Bündel” nationaler Rechte. Um seinen Schutz entfalten zu können, muss der Anmelder das Europäische Patent in den jeweils gewünschten Vertragsstaaten „validieren“ (für wirksam erklären lassen). Erneuerungsgebühren für das Patent müssen in jedem Staat gesondert entrichtet werden – in unterschiedlichen Höhen. Diese nationalen Rechte unterliegen auch der jeweiligen Gerichtsbarkeit der gewählten Länder. Wer beispielsweise ein Europäisches Patent, das in Frankreich, Deutschland und Italien gilt, für nichtig erklären lassen möchte, muss in jedem Staat das zuständige Gericht anrufen um das Nichtigkeitsverfahren dort zu betreiben.

Im Gegensatz dazu hat das Einheitspatent – wie der Name schon sagt – einen „einheitlichen” Effekt in allen teilnehmenden Mitgliedsstaaten (MS). Es existiert als einziges unteilbares Patent, das alle MS gemeinsam abdeckt – wie eine Unionsmarke oder ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster. Für das Einheitspatent gibt es eine einzige Erneuerungsgebühr und ein gemeinsames Verwaltungssystem: Rechtsübergänge, Lizenzen und andere Rechte müssen nicht mehr für jedes Land einzeln in den nationalen Patentregistern eingetragen werden; eine einmalige Eintragung im Register für den einheitlichen Patentschutz, das zentral vom EPA verwaltet wird, genügt. 

Das Einheitspatent wird in allen EU-MS gelten – außer in Spanien und Kroatien, die sich von diesem System abgemeldet haben. Griechenland, Irland, Rumänien sowie Tschechien, die Slowakei, Ungarn und Zypern beabsichtigen, dem Einheitspatent in Zukunft beizutreten; Polen ist noch unentschlossen. Alle anderen EU-MS (17) beteiligen sich.

Das Verfahren ist recht einfach: Bevor ein Einheitspatent beim EPA registriert werden kann, muss der Anmelder dort zuerst eine europäische Patentanmeldung nach dem EPÜ einreichen. Innerhalb eines Monats nach Veröffentlichung der Erteilung kann der nunmehrige Patentinhaber einen Antrag auf einheitliche Wirkung stellen, um ein Einheitspatent zu erhalten. Der Antrag auf einheitliche Wirkung kann bereits jetzt in der Übergangsphase („sunrise period“), die mit 1. März 2023 begonnen hat, gestellt werden! 

Zum System des Einheitspatents gehört auch das in Europa neu geschaffene Einheitliche Patengericht (EPG). Die erste Instanz besteht aus einer Zentralkammer in München und Paris sowie mehreren lokalen bzw. regionalen Kammern in verschiedenen MS (auch AT hat eine lokale Kammer in Wien). Das Berufungsgericht befindet sich in Luxemburg. Das EPG ist sowohl für Verletzungs- als auch für Nichtigkeitsverfahren für Einheitspatente und Europäische Patente zuständig; seine Rechtsprechung gilt in allen teilnehmenden MS.

Für EPÜ-Patente besteht allerdings eine 7-jährige Übergangsfrist (die für weitere 7 Jahre verlängert werden kann), in der der Patentinhaber für das jeweilige Bündelpatent ein „opt-out“ erklären kann, mit der er es der Zuständigkeit des EPG entzieht. Damit verbleiben Verfahren zu Europäischen Patenten wie bisher bei den nationalen Gerichten. Für Einheitspatente hingegen ist kein opt-out möglich – sie bleiben unter der Jurisdiktion des EPG. 

Optiert der Patentinhaber nicht hinaus, unterfällt das Europäische Patent während der Übergangsfrist der Rechtsprechung sowohl nationaler Gerichte als auch des EPG (“dual system”); diesbezüglich besteht also ein Wahlrecht. Da ein opt-out nicht mehr möglich ist, wenn bereits eine Klage beim EPG eingereicht wurde, erlaubt die „sunrise period“ Patentinhabern, ihr Europäisches Patent der Zuständigkeit des EPG zu entziehen, bevor es möglich ist, beim EPG eine Klage einzureichen. Anträge auf Registrierung von opt-out-Erklärungen sind seit 1. März 2023 möglich! 

Aber Achtung! Patentinhaber sind gut beraten, in Betracht gezogene opt-out-Erklärungen zu überprüfen: Durch den opt-out kann ein Inhaber zwar das Risiko, sein Bündelpatent durch eine zentrale Nichtigkeitsklage mit einem Schlag in allen gewählten Ländern zu verlieren, vermeiden – allerdings verliert er damit auch die Möglichkeit, sein Patentrecht bei Verletzung zentral durchzusetzen. 

Damit ergeben sich für Erfinder und innovative Unternehmen nunmehr folgende Überlegungen:

  • Eine Strategie für bestehende Europäische Patente – für welche soll eine opt-out-Erklärung abgegeben werden – das hängt auch zusammen mit Markt- und Konkurrentenbeobachtung;
  • Eine Strategie für anhängige Europäische Patentverfahren – welche sollen „traditionell in einzelnen Vertragsstaaten validiert“ werden und welchen soll eine „einheitliche Wirkung“ gegeben werden? 

Ein „Patentrezept” gibt es nicht; es muss von Fall zu Fall entschieden werden! 

Das neue System bietet durchaus portfoliostrategische und prozessrechtliche Möglichkeiten des Rechtsschutzes, seiner Durchsetzung und Verteidigung. Letztlich bleibt abzuwarten, wie das Einheitspatentsystem von den Patentanmeldern und -inhabern angenommen werden wird und was die Rechtsprechung daraus macht. 

Mag. Gabriele Benedikter


Gewerberecht


Überarbeitung der EU-Bauprodukteverordnung – ein steiniger Weg

Auf europäischer Ebene wird durch entsprechende EU-Baunormen das Inverkehrbringen der Bauprodukte geregelt; ob und wie Bauprodukte verwendet und eingebaut werden dürfen, regeln die Mitgliedstaaten.

Rechtliche Unklarheiten im Zusammenhang mit der Normung sowie Kooperationsmängel zwischen EK und den europäischen Normungsorganisationen haben die Erarbeitung dringend erforderlicher Baunormen erschwert.

Die Europäische Kommission hat daher am 31.03.2022 den Vorschlag für eine entsprechende, umfassende Überarbeitung der EU-Bauprodukteverordnung vorgelegt. 

Der Vorschlag für eine neue Bauproduktenverordnung zielt darauf ab, den Binnenmarkt für Bauprodukte zu stärken und die europäischen Nachhaltigkeits- und Klimaziele auch in der baulichen Umwelt zu verwirklichen.

Die Überarbeitung der seit 2011 geltenden Vorschriften soll einen harmonisierten Rahmen für die Bewertung der Umwelt- und Klimaleistung von Bauprodukten schaffen. Durch neue Produktanforderungen soll sichergestellt werden, dass Design und Herstellung von Bauprodukten auf dem neuesten Stand der Technik beruhen, um sie haltbarer zu machen und sie leichter reparieren und recyceln zu können.

Die neuen Vorschriften sollen auch den Normungsorganisationen die Ausarbeitung einheitlicher europäischer Normen erleichtern. Zur Verringerung des Verwaltungsaufwands insbesondere für KMU sollen digitale Lösungen geschaffen werden wie z. B. eine Datenbank für Bauprodukte und ein digitaler Produktpass.

In bislang 18 Sitzungen der Ratsarbeitsgruppe (Technische Harmonisierung) wurde versucht, eine Einigung zwischen den Vertretern der Mitgliedsstaaten sowie der EK über die Neufassung der Verordnung zu erreichen.

In weiten Bereichen des beabsichtigten Regelungsinhalts wie insbesondere Anwendungs - und Geltungsbereich der Verordnung, Definitionen, Kompetenz der Europäischen Kommission zur Erlassung delegierter Rechtsakte, Kennzeichnungen, Kennzeichnungs -und Meldepflichten, Datenbanken etc. bestehen noch grundlegende Auffassungsunterschiede sowie Fragen. Wann ein Ergebnis absehbar ist, kann daher nicht eingeschätzt werden.

Im Rahmen der parallel dazu laufenden Entscheidungsfindung des Europäischen Parlaments hat MEP Christian Doleschal als Berichterstatter für das federführende Committee on the Internal Market and Consumer Protection (IMCO) zum Vorschlag für eine Bauprodukteverordnung einen sehr kritischen Bericht mit über 300 Ergänzungs- und Verbesserungsvorschlägen vorgelegt.

Zwischenzeitlich sind dazu zusätzlich noch ca. 1000 weitere Ergänzungs- und Verbesserungsvorschläge von EU-Parlamentariern eingebracht worden. 

Eine Abstimmung im IMCO über diesen Bericht ist für 22./23. Mai 2023 geplant. 

Eine Abstimmung im Plenum des Europäischen Parlament ist für Juli 2023 vorgesehen. 

Mag. Erhard Pollauf


Verkehrsrecht 


41. KFG-Novelle

Mit der 41. KFG-Novelle sollen neben zahlreichen Anpassungen an aktuelle EU-Rechtsakte unter vielen anderen folgende, hervorzuhebende Änderungen vorgenommen werden:

  • Bei der Bewilligung von Überstellungsfahrten wird ein Österreichbezug als Kriterium geschaffen, um Missbrauch im Ausland vorzubeugen (es werden Kfz aus Belgien mit österreichischer Überstellungsfahrtbewilligung nach Marokko überstellt).
  • Die Zulassungsstellen sollen an das Unternehmensregister angebunden und die Daten der Zulassungsevidenz mit dem Unternehmensregister abgeglichen werden.
  • Bestimmungen des Brexit-Abkommens betreffend Lenk- und Ruhezeiten und Fahrtschreiberbenutzung sollen umgesetzt werden.
  • Die Pflichten von Fahrschulbesitzern und Fahrschulleitern sollen genauer geregelt werden. Bei jeder Fahrschulausbildung soll ein schriftlicher Ausbildungsvertrag zwischen Fahrschulen und Fahrschülern abgeschlossen und die Ausbildung des Fahrlehrpersonals soll neu geregelt werden.
  • Organe der ASFINAG sollen Kontrollen von Sondertransporten durchführen dürfen.
  • Die Geldstrafen für Verstöße gegen das Handyverbot bzw. gegen die Gurt- oder die Sturzhelmpflicht werden angehoben. 

Die WKÖ sieht einzelne Vorschläge durchaus kritisch, lehnt auch einige wenige davon ab, erhob jedoch keine grundsätzlichen Bedenken gegen das Novellierungsvorhaben in der Begutachtung. Einige Vorschläge sind erfreulich und werden begrüßt, insbesondere was die überständige Neuregelung der Pflichten des Fahrschulbesitzers und des Fahrschulleiters und die Ausbildung des in den Fahrschulen eingesetzten Lehrpersonals betrifft. Diese Neuregelungen sind das Ergebnis zahlreicher Gespräche zwischen dem Fachverband der Fahrschulen, der WKÖ und dem BMK und dürfen insofern als Erfolg gesehen werden.

Die Beleihung der ASFINAG mit weitreichenden Befugnissen im Bereich der Sondertransportkontrolle lehnten wir nachdrücklich ab.

Das Vorhaben wird nunmehr parlamentarisch behandelt und soll in Teilen bereits im Mai 2023 in Kraft treten. 

Mag. David Ulbrich 


34. StVO-Novelle

Die 34. StVO-Novelle ist der abschließende Teil des sogenannten „Raser-Pakets“, eines Maßnahmenpakets, mit welchem vom insbesondere in der Road-Runner- und Tuningszene verbreiteten Rasen abgeschreckt werden soll. Dieses Vorhaben ist Teil des Regierungsprogramms.

Mit dem Novellierungsvorschlag wird der begrüßenswerte Versuch unternommen, die komplexen Maßnahmen der Beschlagnahme, des Verfalls und der Verwertung von „Tatfahrzeugen“ zur Eindämmung von gefährlicher Raserei einem sinnvollen und möglichst unbürokratischen Verfahren zu unterwerfen. Beschlagnahme und Verfall von Eigentum durch einen Behördenakt sind massive Eingriffe in die Grundrechte der Eigentums- und Erwerbsfreiheit, welche nur aufgrund klarer, verständlicher und verhältnismäßiger Regelungen erfolgen dürfen.

Die Fahrzeuge unbelehrbarer Schnellfahrer sollen nunmehr beschlagnahmt und in letzter Konsequenz für verfallen erklärt werden können. Flankierend sind die vorläufige Führerscheinabnahme und ein Lenkverbot für das betreffende Fahrzeug, welches nicht dem Raser gehört nebst einer diesbezüglichen Anmerkung im Zulassungsschein vorgesehen. 

Die neuen Regeln zielen einerseits auf Wiederholungstäter, die die zulässige Geschwindigkeit im Ortsgebiet um mehr als 60 km/h und außerhalb des Ortsgebietes um mehr als 70 km/h überschreiten. Andererseits wird auf Ersttäter abgestellt, welche die jeweils zulässige Geschwindigkeit im Ortsgebiet um mehr als 80 km/h und außerhalb des Ortsgebietes um mehr als 90 km/h überschreiten.

Über die bisher vorgesehenen Geldstrafen hinaus sollen die Fahrzeuge solcher Raser beschlagnahmt und in letzter Konsequenz für verfallen erklärt und verwertet werden können. Ergänzend wird auch eine unproblematische Verschärfung im Führerscheinrecht vorgesehen.

Grundsätzlich und traditionell unterstützt die österreichische Wirtschaft zielführende Maßnahmen, die der Erhöhung der Verkehrssicherheit dienen. Dass das Fahren mit überhöhter Geschwindigkeit die Hauptursache von folgenschweren und fatalen Unfällen im Straßenverkehr ist, ist unstrittig. Das Fahren mit erhöhter Geschwindigkeit ist daher mit allen gebotenen und zulässigen Mitteln einzudämmen bzw. zu verhindern. Wir begrüßen die 34. StVO-Novelle daher grundsätzlich.

Der vorliegende Entwurf berücksichtigt jedoch die Grundrechte der Eigentümer bzw. sonst dinglich Berechtigter, die nicht Lenker des betreffenden Fahrzeuges sind, nur unzureichend und scheint kraftfahr- und versicherungsrechtliche Aspekte auszublenden. Über Verfall und Verwertung sollte ausschließlich durch Gerichte entschieden werden.  

Das Begutachtungsverfahren zu dieser Novelle war am 20.1.2023 abgeschlossen, das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren läuft derzeit. 

Mag. David Ulbrich


Publikationen


  • Christian Handig, Checklist - Urhebervertragsrecht, ecolex 2022/154, 216
  • Christian Handig, EU-Rechtsentwicklung (gemeinsam mit Astrid Ablasser, Rainer Beetz, Birgit Hirsch, Dominik Hofmarcher und Christian Schumacher), ÖBl 2022/4, 16; ÖBl 2022/18, 65; ÖBl 2022/33, 113; ÖBl 2022/46, 154; ÖBl 2022/61, 209; ÖBl 2022/74, 251
  • Christian Handig, Urheberrechts-Novelle 2021 – Wesentliche Änderungen mit Schwerpunkt Vertragsrecht, ÖBl 2021/17, 59
  • Christian Handig, „Was gibt es Neues?“ im UWG - Änderungen im UWG durch das MoRUG II, ecolex 2022/459, 685
  • Christian Handig, Anmerkung zu EuGH 8. 9. 2021, C-716/20; RTL Television, ecolex 2022/648, 995-99 

  • Carmen Simon-Klimbacher, Kommentierung zu § 57 GewO in Gerscha/Steurer, Praxiswissen Gewerbeordnung
  • Carmen Simon-Klimbacher, Kommentierung zu § 58 GewO in Gerscha/Steurer, Praxiswissen Gewerbeordnung
  • Carmen Simon-Klimbacher, Kommentierung zu § 62 GewO in Gerscha/Steurer, Praxiswissen Gewerbeordnung
  • Carmen Simon-Klimbacher, Kommentierung zu § 62a GewO in Gerscha/Steurer, Praxiswissen Gewerbeordnung
  • Carmen Simon-Klimbacher, Kommentierung zu § 130 GewO in Gerscha/Steurer, Praxiswissen Gewerbeordnung 

  • Kerstin Tobisch, Kommentierung zu § 108 GewO in Gerscha/Steurer, Praxiswissen Gewerbeordnung
  • Kerstin Tobisch, Kommentierung zu § 119 GewO in Gerscha/Steurer, Praxiswissen Gewerbeordnung 

  • Artur Schuschnigg, Mitteilungsanschlag am Schwarzen Brett, immolex 2022, 252
  • Artur Schuschnigg, Die Verbandsklagen-Richtlinie Umsetzungsbreite und ihre Grenzen, EuZW 2022, 1043
  • Artur Schuschnigg, Prozessfinanzierer als Rechtsfreund, ÖJZ 2022, 969
  • Artur Schuschnigg, Das HinweisgeberInnenschutzgesetz (HSchG), SWK 2023, 433 

  • Agnes Balthasar-Wach/Cornelia Lanser, EuGH-Update zu Luxembourg Business, verb Rs C-37/20 und C-601/20 vom 22.11.2022 (der uneingeschränkte öffentliche Zugang zu Angaben über wirtschaftliche Eigentümer verletzt Art 7 und 8 GRC), ecolex 2/2023, 173
  • Agnes Balthasar-Wach/Cornelia Lanser, EuGH-Update zu Antea Polska ua, C-54/21 vom 17.11.2022 (Schutz der Vertraulichkeit der von Bietern übermittelten Informationen im Vergabeverfahren), ecolex 1/2023, 87 
  • Agnes Balthasar-Wach/Cornelia Lanser, EuGH Update zu Admiral Gaming Network, verbRs C-475/20 bis C-482/20 vom 22.9.2022, (Beschränkung der Niederlassungsfreiheit mit Blick auf Glücksspiel), ecolex 12/2022, 1025
  • Agnes Balthasar-Wach/Cornelia Lanser, EuGH Update zu Boriss Cilevičs, C-319/20 vom 7.9.2022 (Schutz der nationalen Identität als Rechtfertig bei der Beschränkung der Niederlassungsfreiheit), ecolex 11/2022, 942
  • Agnes Balthasar-Wach/Cornelia Lanser, EuGH Update zu Keskinäinen Vakuutusyhtiö Fennia 7.7.2022, C-264/21 (Begriff „Hersteller“ der ProdukthaftungsRL), eoclex 10/2022, 790 
  • Theodor Taurer, Kommentierung zu §§ 45, 46, 58 – 77 KartG in Egger/ Harsdorf-Borsch, Kartellrecht (2022)

Veranstaltungen


  • 29. ÖBL-Seminar 2023 am Mittwoch, 19.4.2023
  • Drohnen und deren Einsatzmöglichkeiten für die Wirtschaft am Montag, 2.10.2023
  • XX. Wettbewerbssymposium am Montag, 27.11.2023