Nicht Arbeit macht krank, Arbeitslosigkeit

Die moderne Arbeitswelt ist fordernd und mitunter hektisch. Sie wird daher häufig für gesundheitliche Probleme verantwortlich gemacht. Zu Unrecht. In Österreich ist die Arbeitswelt eher ein gesundheitsfördernder denn ein -belastender Faktor. 

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Aktualisiert am 11.03.2023

Argumente der WKÖ


Arbeit ist zunächst nur einer von vielen Faktoren, der die Gesundheit des Einzelnen beeinflusst. In einer Schweizer Studie wurden die Faktoren gewichtet: Demnach hat das persönliche Verhalten – Ernährung, Bewegung, Risiko- bzw. Suchtverhalten - mit knapp 38% den stärksten Einfluss auf die Gesundheit. Bildung, Arbeit(slosigkeit), Einkommen, Armut und Wohnsituation beeinflussen die Gesundheit zu 19%. Die persönlichen Gene, die Konstitution und Krankheitsanfälligkeit bestimmen, machen 22% aus. Umweltbedingungen haben 10% Einfluss, die Gesundheitsversorgung nur 11% (Synthese aus drei Metastudien, economiesuisse, 2018). 

Dass Arbeit nur einen kleinen Teil des Wohlbefindens bestimmt, zeigt sich schon daran, dass Vollzeitbeschäftigte während des Erwerbslebens nur 20% ihrer Lebenszeit am Arbeitsplatz verbringen – bezogen auf das ganze Leben sind es nur 10%, bei Teilzeitbeschäftigten noch weniger. Gesundheit ist daher wesentlich vom Freizeitverhalten beeinflusst. Führt dieses zu Krankenständen, tragen die Unternehmen durch die Entgeltfortzahlung einen großen Teil der Kosten. 

Arbeitslosigkeit vs. Arbeit 

Der Einfluss von Arbeit ist der Alternative – Arbeitslosigkeit – gegenüberzustellen. Studien (ebenso wie die Erfahrung) belegen, dass regelmäßige Arbeit Sinn stiftet und den Tag strukturiert. Arbeitserfolge heben den Selbstwert, das Erwerbseinkommen den Lebensstandard (siehe Projektbericht, Dr. Thomas Czypionka et al., Invaliditätspension aufgrund psychischer Erkrankungen, 2016). All diese Faktoren fördern Gesundheit. 

Diese Faktoren fehlen Arbeitslosen. Sie verzeichnen dreimal so viele Krankenstandstage wie Erwerbstätige, von denen viele auf psychischen Diagnosen beruhen. 13% der Arbeitslosen und 27% der Langzeitarbeitslosen schätzen ihre gesundheitliche Verfassung als schlecht bis sehr schlecht ein. Unter den Erwerbstätigen geben dies nur 4% an. 13% der Arbeitslosen haben Angst- und Beunruhigungszustände, hingegen nur 7% der Erwerbstätigen. (https://www.ifes.at/Arbeitsklimaindex2021_Sonderauswertung_Arbeitslosigkeit )

Hohe Arbeitszufriedenheit in Österreich 

Bei vielen Gelegenheiten wird die Arbeitszufriedenheit gemessen, die viel darüber aussagt, ob und welche Arbeit als fördernd oder als belastend empfunden wird: 

  • 43,3% der befragten Erwerbstätigen in Österreich sind mit ihrer Hauptbeschäftigung hochzufrieden. Nur 7,7% hingegen geben eine geringe Arbeitszufriedenheit an. (Statista, 2021)
  • Nach der EWCS 2015 (Europäische Erhebung über die Arbeitsbedingungen) waren im EU-Schnitt 86 % der Arbeitnehmer mit ihrer Arbeitssituation zufrieden, Österreich lag mit einer Gesamtzufriedenheit von 92,9 % an erster Stelle.
  • Umfragen zur Arbeitszufriedenheit während der Pandemie & Lockdowns sind wenig aussagekräftig, siehe unten.

Anstieg psychischer Krankheiten differenziert betrachten 

  • Die Zahl der psychischen Erkrankungen hat statistisch langfristig zugenommen, (Fehlzeitenreport). Die Pandemie hat diesen Trend verstärkt: 2020 berichteten 21% der Personen von Depressionssymptomen, doppelt so viele wie 2019 (Health at a Glance 2021, OECD Indicators, Austria).
  • Die OECD geht davon aus, dass die Gründe für häufigere Diagnosen psychischer Krankheiten allerdings nicht in tatsächlich mehr Fällen liegen, sondern an der verstärkten Diagnose dieser Krankheiten, am verstärkten Bewusstsein dafür sowie an der Abnahme des damit verbundenen Stigmas (Mental Health and Work: Austria | en | OECD, 2015).
  • Der Arbeitsklimaindex verzeichnete seit Beginn der Messung 1998 eine stetige Abnahme des psychischen Stresses, ehe dieser mit Beginn der Pandemie wieder stark anstieg.

Arbeitsunfälle rückläufig 

Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers geht in Österreich bereits sehr weit, auch psychische Risiken sind zu evaluieren und möglichst abzustellen. Dank Schutzmaßnahmen von Unternehmen und AUVA, aber auch dem Wandel der Arbeitswelt ist die Zahl der Arbeitsunfälle stark rückläufig: 2021 lag die Unfallquote bei 193 je 10.000 Versicherte. 1974 waren es noch 765 Unfälle je 10.000 Versicherte. (AUVA, Fehlzeitenreport

Lösungen  

Förderung der Gesundheit im Betrieb: Die WKÖ setzt sich für umfassende freiwillige Maßnahmen zur Steigerung der Gesundheit in Betrieben ein und bietet dazu Informationen auf www.wirmachengesundheit.at. Internationale Studien weisen für BGF-Maßnahmen einen Return of Investment (ROI) zwischen 1:3 und 1:6 aus, dh eine Investition in Gesundheitsförderung von 1 Euro führt zu Einsparungen von 3 bis 6 Euro. 

Gezielte Wiedereingliederung: Die Sozialpartner haben die Wiedereingliederungsteilzeit eingeführt, die von der Praxis gut aufgenommen wird, um Arbeitnehmer nach langen Krankenständen schrittweise in den Job zurückzuführen. Hingegen hat das Modell „Reha vor Pension“ bisher nur wenige Beeinträchtigte in den Arbeitsmarkt reintegriert. Alle Maßnahmen und Prozesse sind hier auf das Ziel, die Reintegration, auszurichten. Dieser Punkt ist im Regierungsprogramm enthalten, aber nicht umgesetzt.   

Eigenverantwortung: Das persönliche Verhalten hat den größten Einfluss auf die Gesundheit. Politische Maßnahmen müssen daher die Eigenverantwortung stärken durch:

  • gezielte Vermittlung fundierter Gesundheitskompetenz, Aufklärung, zielgruppenspezifische Information
  • niederschwellige Gesundheitsangebote wie zB Impfungen
  • Anreize (Nudging) und steuerliche Erleichterungen etwa nach dem Vorbild des SVS-Programms „Selbständig Gesund“; wer Gesundheitsziele erfüllt, zahlt einen wesentlich geringeren Selbstbehalt
  • Verknüpfung von Geldleistungen mit Pflichten nach dem Vorbild des Mutter-Kind-Passes

 

Autorin: Mag. Maria Cristina de Arteaga
Stand: September 2022