Kommentar Wirtschaftspolitik: Flexibilität zwischen Selbstständigkeit und Unselbstständigkeit

Ausgabe 37/2016

Lesedauer: 3 Minuten

Aktualisiert am 13.03.2023

In Kürze

  • Das klassische Unternehmerbild ist hinsichtlich zunehmender gesellschaft­licher und wirtschaftlicher Veränderungen im Wandel.
  • Dies wird durch eine flexiblere Ausgestaltung von Erwerbsverläufen deutlich.
  • Die geänderten Erwerbsverläufe kennzeichnen sich durch mehrfachen Wechsel zwischen selbstständiger und unselbständiger Tätigkeit bzw. gleichzeitige Selbst- und Unselbständigkeit.
  • Die Grenzen zwischen Unternehmertum und Anstellungsverhältnissen verschwimmen.

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Das Bild des Unternehmers ist zunehmend im Wandel. Mit stetigen gesellschaft­lichen und wirtschaftlichen Veränderungen verändern sich auch klassische Erwerbsverläufe. Diese wirken sich allerdings nicht bloß ausschließlich auf häufigere Arbeitsvertragsverhältnisse aus, sondern verwischen auch in ver­mehrtem Maße die Linie zwischen selbstständigen und unselbstständigen Berufs­laufbahnen.

Studie mit 3.000 Unternehmern

Die Studie „Ein neuer Blick auf das Unternehmertum – Analyse aktueller Entwicklungen im Unternehmertum & Austrian Entrepreneurial Index“ der KMU Forschung Austria im Auftrag der WKÖ analysiert mittels einer Befra­gung von rund 3.000 Unternehmern und qualitativen Leitfadeninterviews die im Wandel befindliche Unternehmenslandschaft und die derzeitige Situation zu unterschiedlichen Formen der Ausübung unternehmerischer Tätigkeiten. Dabei ist auffällig, dass ein Teil der Unternehmer in ihrer professionellen Laufbahn mehrfach zwischen unselbstständiger und selbstständiger Erwerbstätigkeit wechseln bzw. auch zeitgleich ausüben. Somit ist eine klar abtrennbare Grenze unternehmerischer Tätigkeit im Begriff sich aufzulösen.

In der Befragung der KMU Forschungsstudie geben 13 % an, dass sie bereits mehr als einmal zwischen einer unselbstständigen und selbständigen Tätigkeit gewechselt haben. Ein näherer Blick auf die Sektoren, siehe dazu Abbildung 1, verdeutlicht zudem branchenspezifische Unterschiede.

Vergleichsweise häufig ist demnach ein mehrfacher Wechsel zwischen selbst­ständiger und unselbstständiger Erwerbstätigkeit in der Informations- und Kommunikationsbranche festzustellen. 22 % der Befragten in diesem Bereichgaben an, bereits mehr als einmal zwischen unselbstständiger und selbststän­diger Tätigkeit gewechselt zu haben. Dies betrifft augenscheinlich mit höherem Maße den Dienstleistungsbereich, denn so kann ein mehrfacher Wechsel ebenfalls in den Bereichen freiberuflicher, wissenschaftlicher und technischer (17 %) sowie sonstiger wirtschaftlicher Dienstleistungen (16 %) festgestellt werden.

Auffällig ist dabei auch der demographische Aspekt hinter jenen Unterneh­mern, die mehrfach zwischen selbstständiger und unselbstständiger Erwerbs­tätigkeit in ihrer Karrierelaufbahn gewechselt haben. So beziffert sich der Anteil dieser Unternehmergruppe auf 16 % unter Akademikern und auf 15 % bei der Altersgruppe über 50 und ist somit besonders hoch. 

Ursachen für Wechsel zwischen selbständiger und unselbstständiger Erwerbstätigkeit

Die Gründe für einen mehrfachen Wechsel zwischen selbstständiger und unselbstständiger Erwerbstätigkeit sind oftmals, aber nicht ausschließlich, finanzieller Natur. Faktoren wie eine schlechte Auftragslage, die schwierige wirtschaftliche Situation sowie steuerliche und soziale Abgaben lösen Wechsel aus. Die erforderliche erhöhte Flexibilität in der Berufsplanung führt somit auch zu einer Aufnahme einer unselbstständigen Beschäftigung, wenn diese notwendig oder auch erwünscht ist.

Unter den Umfrageteilnehmern wurden auch schlicht interessante Stellenangebote als Grund für einen Wechsel von einem selbstständigen in ein unselbstständiges Berufsverhältnis genannt. Gleichermaßen kann ein (mitunter erneuter) Wechsel in die Selbstständigkeit ebenfalls unterschiedlichste Gründe haben. So gaben Teilnehmer an der Untersuchung an, dass die Entscheidung zur Selbstständigkeit mit dem Wunsch zur Verwirklichung geschäftlicher Ideen oder zu mehr Flexibilität und Unabhängigkeit sowie Unzufriedenheit mit einer vorausgegangenen unselbstständigen Beschäftigung zusammenhing.

Hybride Unternehmer - selbstständig und angestellt zugleich

Unternehmer, die sich parallel zu ihrer Selbstständigkeit auch in einem Anstellungsverhältnis befinden, werden als hybride Unternehmer bezeichnet. Sie machen in Österreich laut amtlicher Statistik 16 % der Selbstständigen aus. Interessant ist jedoch, dass deren Anzahl in den vergangenen zehn Jahren (2005 - 2014) mit +22 % wesentlich stärker gestiegen ist als die Zahl der Selbstständigen insgesamt (+13 %) und der unselbstständig Beschäftigten (+10 %).

Durchschnittlich sind 20 % der hybriden Unternehmer hauptberuflich Selbstständige, wodurch sie 40 Wochenstunden für ihre selbstständige und 12 Stunden für ihre unselbstständige Tätigkeit aufwenden. Im umgekehrten Verhältnis arbeiten hauptberuflich unselbstständige hybride Unternehmer 16 Stunden als Unternehmer und 39 Stunden als Angestellte. Die Gründe für parallele Selbstständigkeit unterscheiden sich kaum von den Motiven von Hauptunternehmern - Selbstverwirklichung, Unabhängigkeit sowie die Umsetzung einer Idee stellen die Hauptmotive dar. Jedoch gibt etwa ein Fünftel auch unzureichendes Einkommen aus der unselbstständigen Tätigkeit als Unternehmensgründungsmotiv an. 

Auch wenn der Anteil der Unternehmer, die bereits mehr als einmal zwischen selbständiger und unselbstständiger Berufstätigkeit gewechselt haben, mit 13 % und der Anteil hybrider Unternehmer mit 16 % gesamt gesehen weiterhin niedrig ist, bestätigen diese Werte auch, dass sich klassische Denk­muster und Bilder eines ‚archetypischen‘ Unternehmerprofils zunehmend ändern. Vielmehr verdeutlicht diese Entwicklung, dass der Weg in die Selbst­ständigkeit eine Möglichkeit unter verschiedenen Erwerbsformen darstellt und die Rahmenbedingungen für einen Wechsel zwischen Selbstständigkeit und Unselbstständigkeit bzw. der Einstieg in die Selbstständigkeit möglichst einfach gestaltet werden sollte.