SPIK - Sozialpolitik informativ & kurz

Newsletter Abteilung Sozialpolitik und Gesundheit 1.7.2022

Lesedauer: 6 Minuten

Aktualisiert am 13.03.2023

Inhaltsübersicht

  • Arbeits- und Sozialrecht: Änderungen zum 1.7.2022 und danach
  • Die Viertagewoche: Gut, wenn vereinbart, schlecht, wenn aufgezwungen
  • Engpässe beim Personal gravierender als bei Lieferketten
  • COVID bremste Entsendungen nach Österreich ein
  • IT-Jobdays brachten Unternehmen und IT-Kräfte zusammen
  • ZAS-Tag am 22.9.2022: Schwerpunkt Internationaler Einsatz von Arbeitskräften


Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Wirtschaft und Arbeitsmarkt trotzen dem scharfen internationalen Gegenwind, die Politik unterstützt dabei: Durch Antiteuerungspakete, die Einkommen stärken und Arbeitskosten dämpfen, durch die Fortentwicklung der Rot-Weiß-Rot-Karte, die Fachkräfte locken soll, und eine Vielzahl an Gesetzesbeschlüssen, die wir wie gewohnt zusammengefasst haben. Nur die Arbeitsmarktreform verzögert sich. 

Die Demografie schwächt Arbeitsmarkt und Wirtschaft, auf denen sich unser Wohlstand und Sozialstaat gründen. Diese Basis ist zu stärken und nicht durch Arbeitszeitverkürzung und Frühpensionen zusätzlich zu schwächen, wie eine Studie von Eco Austria belegt! 

Konkrete Vorschläge zur Fachkräftesicherung kommen aus Deutschland.  

COVID wird uns wohl erhalten bleiben. Die Auswirkungen zeigen sich an der Zahl der Entsendungen nach Österreich.

Zum Abschluss eine Nachlese auf die erstmaligen IT-Jobdays der Wirtschaftskammer und die Ankündigung des traditionellen ZAS-Tags, der sich am 22.9. unter anderem dem internationalen Einsatz von Arbeitskräften widmet.

Alles Gute!

Rolf Gleißner


Arbeits- und Sozialrecht: Änderungen zum 1.7.2022 und danach

Wie immer vor der Sommerpause beschließt der Nationalrat noch eine Vielzahl an Gesetzen. Zum 1.7.2022 und zu fixen Stichtagen danach ergeben sich daraus zahlreiche arbeits- und sozialrechtliche Änderungen. Bei einigen Vorhaben bleibt die endgültige Gesetzwerdung abzuwarten.

Download: Gesetzliche Änderungen ab 1.7.2022 (pdf)



Die Viertagewoche: Gut, wenn vereinbart, schlecht, wenn aufgezwungen

Die Österreicher arbeiten im Schnitt weniger   

Unternehmen finden kein Personal und dann sollen die wenigen Arbeitskräfte auch noch kürzer arbeiten? Eine Studie von Eco Austria bestätigt: Keine gute Idee.  

Vorweg zur Klarstellung: Wenn Unternehmen und Mitarbeiter eine Viertagewoche vereinbaren, gut so, sie kennen ihre Bedürfnisse am besten. Unternehmen müssen an Kunden denken, die erwarten, dass auch freitags, zT samstags Handwerker kommen, Telefone abgehoben werden, etc. Die Wirtschaft berücksichtigt aber auch die Wünsche der Mitarbeiter, etwa nach Teilzeit: Daher arbeiten die Österreicher heute im Schnitt um zwei Stunden pro Woche weniger als vor Covid und drei Stunden weniger als vor 11 Jahren, siehe Grafik unten.

Entwicklung tatsächliche Arbeitszeit in Ö u in der EU 2011-2021 laut Eurostat
© WKÖ
Aber leider geht es bei der aktuellen Diskussion nicht um die Wünsche der Einzelnen, sondern um einen Arbeitszeitmaßstab, nach dem sich alle richten sollen: Die einen träumen von staatlich subventionierter 4-Tage-Woche, die anderen von genereller Arbeitszeitverkürzung, immer bei vollem Lohn, versteht sich.

Dazu kommt noch die Verkürzung der Lebensarbeitszeit, wir gehen bekanntlich früher in Pension als in den 70er Jahren. Und schließlich werden die Menschen im Erwerbsalter immer weniger, die Menschen im Pensionsalter immer mehr. Weniger Arbeitszeit, weniger Erwerbsjahre, weniger Erwerbstätige, aber dafür mehr Sozialstaat? „Da reicht Volksschule Sauerland, um zu wissen: Das kann nicht gehen“, sagte einst SPD-Minister Müntefering.

Weniger Kinder, später in den Beruf, früher raus, länger leben, länger Rente zahlen: Wenn man das nebeneinander legt, muss man kein Mathematiker sein, da reicht Volksschule Sauerland, um zu wissen: Das kann nicht gehen.

Arbeitszeitverkürzung bringt auch Arbeitnehmern nichts 

Eine Studie von Eco Austria bestätigt, dass eine Arbeitszeitverkürzung auch Arbeitnehmern nichts bringt:

  • Unabhängig von der Variante sinken Wertschöpfung und Einkommen.
  • Die Arbeitslosenquote reduziert sich nur, wenn entsprechend der Arbeitszeit auch die Löhne verringert werden.
  • Würde die Arbeitszeitverkürzung durch den Staat subventioniert, dann belastet dies das Bundesbudget, sodass Geld für Zukunftsinvestitionen fehlt.

Basis des Sozialstaats stärken, nicht schwächen! 

Fazit: Wenn wir Sozialstaat und Wohlstand erhalten wollen, sollten wir deren Basis - Wirtschaft und Beschäftigung – stärken, nicht schwächen: Durch den Ausbau der Kinderbetreuung, damit Eltern arbeiten können, durch die steuerliche Entlastung von Arbeit, damit diese attraktiver wird, und durch einen späteren Pensionsantritt. Immerhin leben wir heute um über 10 Jahre länger als in den 70er Jahren, gehen aber früher in Pension. Auch eine Arbeitszeitverkürzung...


von Mag. Dr. Rolf Gleißner



Engpässe beim Personal gravierender als bei Lieferketten

Der Arbeitsmangel beschäftigt die Forschung intensiv. KfW Research, volkswirtschaftliches Kompetenzzentrum einer der führenden Förderbanken der Welt, geht den Ursachen nach und fordert von der deutschen Regierung weitere Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel. 

Die Wirtschaftsaussichten sind bekanntlich unsicher aufgrund der internationalen Lieferengpässe und der steigenden Energie- und Materialpreise. Grundsätzlich sind die Aussichten für 2022 zwar gedämpft, aber nach wie vor gut, abgesehen von einem Negativszenario, in dem die Energieversorgung abrupt unterbrochen würde. Die Unternehmen stellen weiter Personal ein. ABER: Die Zahl der offenen Stellen ist in Österreich wie auch in Deutschland auf einem Rekordwert. Bei rund 45% der deutschen Unternehmen ist die Geschäftstätigkeit bereits durch den Mangel an Fachkräften behindert. 

Gründe für die starke Nachfrage nach Arbeitskräften 

Der demografische Wandel ist in Deutschland bereits voll im Gang und trifft den Arbeitsmarkt mit wachsender Wucht. Durch den Eintritt der Babyboomer in die Pension wird sich diese Entwicklung jedenfalls verstärken. Gleichzeitig sind trotz Krisen die Auftragsbücher gefüllt und abzuarbeiten, was allerdings Engpässe bei Material und Arbeitskräften behindern. 

Die Zahl der vom Fachkräftemangel betroffenen Unternehmen wird weiter zunehmen. Ein schrumpfendes Arbeitskräfteangebot trifft auf eine wachsende Nachfrage, für die das KfW-Research-Papier folgende Gründe sieht:  

  • die beschleunigte Energie- und Verkehrswende,
  • der Nachholbedarf bei der Digitalisierung,
  • der steigende Arbeitskräftebedarf im Gesundheits- und Pflegesektor sowie im Bereich der Kinderbetreuung,
  • der Investitionsbedarf in der öffentlichen Infrastruktur,
  • strukturelle Veränderungen zur Sicherstellung von Rohstoffen und Lieferketten.

Zur Sicherung von Fachkräften fordern die Autoren von KfW-Research unter anderem

  • die Erhöhung der Erwerbsquote,
  • kostenlose Kinderbetreuung,
  • die Flexibilisierung und Erhöhung des Renteneintrittsalters,
  • keine negativen Anreize zur Arbeitsaufnahme bei Steuern und Transfers,
  • Ehegattensplitting (das ist in Ö schon lange umgesetzt),
  • die Attraktivierung der Zuwanderung sowie
  • Bildungsinitiativen. 

Fazit 

Der Arbeitskräftemangel ist eine zentrale Herausforderung, zu dessen Eindämmung an vielen Hebeln anzusetzen ist. Das KfW-Research-Papier fordert für Deutschland eine breit angelegte wirtschafts- und arbeitsmarktpolitische Initiative.

Der Handlungsbedarf ist in Österreich ebenso akut. Doch es gibt Fortschritte: In Kürze werden wesentliche Verbesserungen in der Rot-Weiß-Rot-Karte beschlossen, Bund und Länder haben sich auf einen weiteren Ausbau der Kinderbetreuung geeinigt. Leider verzögert sich die Arbeitsmarktreform, die mehr Anreize für Beschäftigung bringen soll. Viele weitere Schritte müssen und werden folgen.  

KfW-ifo-Fachkräftebarometer Mai 2022: https://www.kfw.de/PDF/Download-Center/Konzernthemen/Research/PDF-Dokumente-KfW-ifo-Fachkr%C3%A4ftebarometer/KfW-ifo-Fachkraeftebarometer_2022-05.pdf


von Mag. Gabriele Straßegger



COVID bremste Entsendungen nach Österreich ein

Mittlerweile sind über zwei Jahre seit den ersten Lockdowns und Reisebeschränkungen in Europa vergangen. Wie stark diese Maßnahmen das internationale Wirtschaftsleben beeinträchtigt haben, lässt sich ua an der Anzahl der Entsendungen nach Österreich ablesen, die auf den Stand 2016 zurückfiel, 2021 aber entsprechend der guten Konjunktur wieder anzog.

Anzahl der Entsendungen nach AUT
© WKÖ Quelle: Bundesministerum für Finanzen



IT-Jobdays brachten Unternehmen und IT-Kräfte zusammen 

Von 20. bis 21. Juni 2022 fanden erstmals die „IT JOB DAYS“, ein zweitägiges virtuelles Recruiting Event, statt. Es nahmen mehr als 600 IT-Fachkräfte aus aller Welt teil und über 90 österreichische Unternehmen, die IT-Fachkräften suchen.  

Derzeit fehlen mehr als 24.000 IT-Fachkräfte in Österreich, Tendenz steigend. Dadurch geht bereits eine Wertschöpfung von 3,8 Milliarden Euro pro Jahr verloren! Daher probierte die Wirtschaftskammer dieses neue Format aus: IT-Kräfte und Unternehmen erstellten dabei im Vorhinein ein Profil, auf dass die jeweils andere Seite zugreifen konnte. Daraus entstanden in der Folge über 320 Bewerbungsgespräche. 

Nach dem erfolgreichen Piloten werden weitere Veranstaltungen voraussichtlich mit anderen Schwerpunkten folgen.  

Find your perfect IT job match #itjobdaysaustria - Event Info (it-jobdays.at)

 

von Nike Valerie Pulda, MA



ZAS-Tag am 22.9.2022: Schwerpunkt Internationaler Einsatz von Arbeitskräften

Traditionell bietet der Manz-Verlag in Kooperation mit der Wirtschaftskammer Österreich ein Update zum Arbeits- und Sozialrecht des Jahres in einem Tag. Geboten werden

  • die aktuelle Judikatur 2022
  • die aktuelle Gesetzgebung 2022 und
  • der Schwerpunkt Internationaler Einsatz von Arbeitskräften: 
    • Entsendungen
    • Homeoffice aus dem Ausland
    • Rot-Weiß-Rot-Karte & Ausländerbeschäftigung

Ort: Wirtschaftskammer Österreich, Saal 2, Wiedner Hauptstraße 63, 1045 Wien 
Zeit: Donnerstag, 7. Oktober 2019, 9:00 (Eintreffen) – 16:00 Uhr 

Details und Anmeldung:

Jahrestagung Arbeits- und Sozialrecht 2022 online buchen | MANZ Rechtsakademie




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Leiter: Mag. Dr. Rolf Gleißner
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