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Handelsabkommen Mercosur: „Blockade schadet (nieder)österreichischem Wirtschaftsstandort massiv“

Die Vorteile eines Handelsabkommens mit den Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay sind zahlreich. „Es wäre fahrlässig und unverantwortlich für den Wirtschaftsstandort, diese Chancen nicht zu nutzen“, betonen Wolfgang Ecker, Präsident der Wirtschaftskammer NÖ (WKNÖ), und Christian Moser, Vizepräsident der WKNÖ. 

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Aktualisiert am 05.08.2023

Seit 1999 wird das EU-Mercosur-Abkommen verhandelt. Im Sommer, wenn Spanien die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt, könnte es zu einer Einigung kommen. Österreich lehnt das Handelsabkommen allerdings strikt ab – zum großen Unverständnis der NÖ Wirtschaft. „Die geopolitische Lage hat sich verändert. Europa braucht verlässliche Partnermärkte, um sich von russischer und chinesischer Abhängigkeit zu lösen, und Lateinamerika ist ein solcher Markt. Blockaden des Handelsabkommens auf Regierungsebene schaden dem (nieder)österreichischen Wirtschaftsstandort und somit den Menschen im Land massiv“, pocht Wolfgang Ecker, Präsident der Wirtschaftskammer NÖ, auf ein politisches Umdenken.

Ohne Rohstoffe gelingt keine Energiewende

Die Mercosur-Staaten gelten als wichtiger Rohstofflieferant für die EU, etwa bei mineralischen Stoffen und seltenen Erden, bei Häuten und Fellen für die Lederindustrie oder Sojabohnenerzeugnissen als wichtiges Viehfutter. „Europa ist abhängig von Rohstoffen. Ein Abschluss des Handelsabkommens diversifiziert und sichert Lieferketten sowie strategische Rohstoffe, auch um den Klimaschutz hierzulande weiterzubringen. Ohne Abschluss wird es nicht genug Rohstoffe für Solarpanels und Windräder geben“, gibt Christian Moser, Vizepräsident der WKNÖ und zuständig für den Bereich Außenwirtschaft, mit Verweis auf ein gern genanntes Argument zu beachten, Mercosur würde Nachhaltigkeits- und Klimastandards vermissen lassen. „Ob Windrad, Photovoltaikanlage oder E-Auto-Batterie: Ohne Rohstoffe und seltene Erden gelingt keine Energiewende“, ergänzt Ecker.

Exporte knacken die Milliarden-Grenze: Vor allem KMU profitieren

Österreich hat seit Jahren einen deutlichen Handelsüberschuss mit den Mercosur-Staaten. Wichtige wirtschaftliche Sektoren und Exportschlager sind Arzneimittel, Chemikalien, Messgeräte, Stahlprodukte, Maschinen und Elektrogeräte, Softdrinks sowie Papierwaren. Rund 1.110 österreichische Unternehmen (davon sind 65 Prozent KMU) exportieren Waren und Dienstleistungen im Wert von über 1 Mrd. Euro in den Mercosur-Raum. 32.000 Arbeitsplätze hängen von Exporten in diesen Markt ab. Und es sind bereits 240 Firmen aus Österreich, die im Mercosur-Raum aktiv sind.

Niederösterreich hat 2021 Waren im Wert von 104 Millionen Euro in die vier Länder ausgeführt – das ist ein Anteil von rund 11 Prozent an den österreichischen Mercosur-Exporten in diesem Jahr. „Hier gibt es noch viel Luft nach oben. In diesem Markt liegt viel Potenzial für unsere blau-gelben Betriebe“, betont Ecker. Österreichweit betrugen die Exporte in diese vier Länder im Jahr 2021 929 Millionen Euro, 2022 lagen sie schon bei mehr als 1,3 Milliarden Euro.

Aufbruch statt Stillstand

„Das Zeitfenster für einen Abschluss öffnet sich mit Spaniens Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft. Diese Chance gilt es zu ergreifen, anstatt zu blockieren“, betont Ecker und ergänzt: „Mercosur ist ein Handels- kein Klimaschutzabkommen. Schon das Handelsabkommen CETA hat gezeigt, dass die Handelsbilanz mit Kanada verbessert und Exporte von sensiblen Bereichen der Landwirtschaft gesteigert wurden. Und hier gab es ähnliche Vorbehalte wie bei Mercosur“, erklärt Ecker. „Kein Abschluss bedeutet Stillstand statt Aufbruch.“

Key Facts

  • Die Mercosur-Staaten umfassen 72 Prozent Südamerikas
  • 260 Millionen Menschen
  • 2,2 Billionen Euro BIP
  • 1,1 Milliarden Euro Wertschöpfung in Österreich

Mythen zu Mercosur

Mythos 1: „Billiges Rindfleisch wird heimischen Markt überfluten.“ Fakt: Die durch den Zollabbau begünstigte Menge an Rindfleisch ist überschaubar gering.

Mythos 2: „Minderwertiges Hormonfleisch wird in die Supermärkte gelangen.“ Fakt: Es werden keine Standards bei Lebensmitteln gelockert. Es gibt ein durchdachtes Kontrollsystem.

Mythos 3: „Die Rinderzucht wird massiv ausgeweitet und der Regenwald endgültig

abgeholzt.“ Fakt: Durch den Abschluss des Abkommens wird der Regenwald nicht durch neue Rinderweiden zerstört. Das Abkommen verpflichtet Brasilien zu mehr, und nicht zu weniger Schutz des Regenwalds.

Mythos 4: „Der österreichische Agrarsektor profitiert gar nicht von diesem Abkommen“. Fakt: Die Landwirtschaft ist mitunter einer der größten Profiteure von EU-Handelsabkommen – besonders durch den Abbau von Handelshemmnissen.