Die Magie der Manege
„In der Manege fühle ich den Moment. Nirgendwo anders möchte ich sein“, sagt Alexander Schneller – Österreichs jüngster Zirkusdirektor (35) und das Gesicht des Cirkus Pikard aus Pulkau im Weinviertel.

So richtig angezogen fühle ich mich eigentlich nur im Direktorenkostüm“, schmunzelt Alexander Schneller und steicht sich eine widerspenstige Locke hinters Ohr. Österreichs jüngster Zirkusdirektor sitzt ganz entspannt – mit Flip Flops, Shorts und Baseballcap bekleidet – im Schatten hinter dem großen Zirkuszelt auf dem Gelände des Stift Herzogenburg und geht die Checkliste für die Show am nächsten Tag durch. In der Manege proben die jungen Geschwister Joel und Chantal – zwei von insgesamt 16 Artisten aus zehn Nationen (von 13 bis 60+) – am Seil. Multitalent René befreit – beobachtet von den sechs Ponys – einen Laster mit dem Gartenschlauch vom Staub, während zwei Artistinnen Getränke und Snacks einräumen. Auf dem hinteren Teil der Wiese, dort, wo etwas abgeschirmt vom Trubel die Wohnwagen stehen, hängt eine junge Frau Wäsche auf. „Heute morgen haben wir mit dem Aufbau begonnen. Wir sind eine Familie, alle helfen zusammen und packen mit an“, erklärt Schneller. Zwei Wochen wird die Wiese hinter dem Stift das Zuhause der Zirkusfamilie sein. Dann geht es weiter zur nächsten Station.

Glamour und Entbehrung
Bis die Zuschauer, rund 500 finden im Zelt Platz, eine fulminante Show genießen können, braucht es im Hintergrund viel an Vorbereitung und hartem Training. „Die Logistik ist enorm. Vom Licht, über den Sound, vom Toilettenwagen bis zum Popcorn und den Kostümen. Alles muss am Punkt sein“, weiß Schneller, der keinen Hehl daraus macht, dass das Leben auf Rädern – abseits des Glamours in der Manege – auch hart und entbehrungsreich ist.
Für Schneller kam aber nie etwas anderes in Frage. „Der Zirkus ist mein Leben“, betont er. „Zirkus ist Unterhaltung. Zirkus ist Vergnügen. Leichtigkeit. Keiner spielt eine Rolle. Zirkus verkörpert das pure Leben. Zirkus ist einfach magisch“, gerät er ins Schwärmen. Mit zwei Jahren stand er das erste Mal in der Manege und hat im Anzug Lambada getanzt. „Schon damals wusste ich, dass ich nichts anderes als Zirkus machen will.“ Mit fünf Jahren hat ihn sein Vater unter die Fittiche genommen und ihn zum Artisten ausgebildet. Heute gehört er zu Europas besten Jongleuren und begeistert als Direktor, Regisseur, Akrobat und Tänzer Jung und Alt.
Unterrichtet wurde er daheim von seiner Mutter – gemeinsam mit seinen drei Schwestern. Nach dem Tod des Vaters – damals war er 17 – hat er seine ganze Kraft, Energie, seine finanziellen Mittel und seine Zeit in den Zirkus gesteckt. Neben der Tour durch NÖ ist er bei vielen Events aufgetreten und hat es so geschafft, das Unternehmen stets bekannter zu machen und immer mehr Zuschauer auch ins Zirkuszelt zu holen. Heute besucht der einzige rein österreichische Zirkus von März bis November rund 20 Städte in ganz NÖ.
„Corona war schwierig. Doch wir sind mit neuem Programm, noch mehr Artisten und Acts wieder voll durchgestartet. Ich kann einem Jeden nur raten: Kommt‘s in den Cirkus Pikard. Denn Zirkus ist für alle.“


Zirkusdynastie im Überblick
Alexander Schneller übernahm den Zirkus 2019 von seiner Mutter Elisabeth. Sie leitete das Unternehmen jahrzehntelang mit ihrem Mann Ernö (2004 verstorben) und war auch Artistin. Ernö Schneller enstammte einer ungarischen Zirkusdynastie. Seine Mutter kam aus der französischen Zirkusfamilie Picard. In den 1980-igern haben Ernö und Elisabeth Schneller mit einer rollenden Tierschau begonnen, um sich die Mittel für einen eigenen Zirkus zu erarbeiten. 1989 wurde der Cirkus Pikard mit Sitz in Pulkau (Hollabrunn) gegründet. Anfangs waren alle vier Kinder in der Manege zu sehen. Heute ist der Zirkus von März bis November in NÖ unterwegs. Winterquartier bezieht er in Hof am Leithaberge (Bruck an der Leitha).
www.zirkus.at