Polessnig, Lettner und Lesnjak
© WKK/Bauer

Pflegebetreuung in Gefahr

Die Versorgungssicherheit in der stationären Alten- und Pflegebetreuung in Kärnten ist massiv gefährdet, mehr als die Hälfte der Pflegeheimbetreiber schreibt rote Zahlen und steht kurz vor dem Aus. Grund dafür ist, dass das Land Kärnten in den letzten zehn Jahren die Pflegebetten-Vergütung nur unzureichend angepasst hat. Ohne Valorisierung des Heimtarifs droht der Zusammenbruch der stationären Alten- und Pflegebetreuung.

Lesedauer: 3 Minuten

Aktualisiert am 08.08.2023


In Kärnten gibt es derzeit rund 5.500 Pflege- und Heimplätze, 4.000 davon werden gemeinnützig oder privatwirtschaftlich betrieben. Seit Jahren sind diese 78 Häuser, in denen rund 3.200 Pflegekräfte arbeiten, eine wesentliche Stütze im regionalen Sozialsystem und erfüllen ihren Auftrag, die Bevölkerung zu versorgen, nach bestem Wissen und Gewissen. Und das obwohl der Kostendruck enorm gestiegen ist. Nun schlagen die Betreiber Alarm: Sie sehen sich bald nicht mehr in der Lage, die Versorgung mittelfristig aufrecht erhalten zu können. „Wir sind nicht mehr gegenwartsfit. Unser Leid ist sehr groß, das Wasser steht uns bis zum Kopf, wir versuchen mit Schnorcheln zu atmen. Seit zehn Jahren wird die Vergütung der Heimbetreiber, die sich u.a. aus einem Sockelbetrag und einem Pflegegeldzuschlag zusammensetzt, vonseiten des Landes nur unzureichend angeglichen. In der Steiermark etwa ist der Tagsatz pro Heimbewohner um 30 Euro höher als bei uns“, unterstreicht Christian Polessnig, WK-Berufsgruppensprecher der Alten- und Pflegeheime der Fachgruppe der Gesundheitsbetriebe in der Wirtschaftskammer Kärnten.



Seine Frage an die Politik: „Sind die Kärntner Pflegebewohner weniger wert als jene in den anderen Bundesländern?“ Durch diese verschleppte Anpassung seitens des Landes stehen viele Betreuungs- und Pflegeangebote vor dem Aus. Polessnig fordert dabei keine Anhebung des Sockelbetrages ein, sondern will per sofort nur die Kostensteigerung entsprechend abgegolten bekommen — wozu sich das Land Kärnten angeblich auch verpflichtet hat. Im Raum steht auch die Forderung nach einem rückwirkenden Kostenausgleich. Aktuell beträgt der monatliche Sockelbeitrag pro Monat und Bett 2.719,20 Euro. Um aber ausgeglichen wirtschaften zu können, müsste dieser 3.300 Euro im Monat ausmachen. „Es herrscht ein großer Investitionsstau, teilweise können nicht einmal mehr neue Pflegebetten angeschafft werden“, skizziert Polessnig. Hinzukommt, dass es für gemeinnützig oder privatwirtschaftlich betriebene Häuser keine Abgangsdeckung gibt, sehr wohl aber für alle öffentlich geführten Heime. „Wir möchten abgesichert in die Zukunft blicken und uns auf unsere eigentliche Arbeit, die der Pflege, konzentrieren.“


Valorisierung von der Politik ausgesetzt

Seit 2010 kommt es zu einer Minderwertleistung des Sockelbetrages von mehr als 20 %. Dieses Geld fehlt nunmehr den Heimen, um die Qualität der Betreuungsleistungen sicherstellen zu können. Kärnten ist gemeinsam mit Salzburg und Burgenland Schlusslicht in der Finanzierung ihrer sozialen Heimstrukturen.„Wir fordern von der neuen Landesregierung, die Finanzierung der Alten- und Pflegeheime zukunftsfit zu gestalten! Wir wurden in der Vergangenheit zu Tode gespart und haben keinen Handlungsspielraum mehr“, ist Polessnig verärgert. Lenkt die Politik hier nicht rasch ein, dann könne, so der WK-Berufsgruppensprecher, ein Altern in Würde bei qualitätsgesicherter Pflege bald nicht mehr sichergestellt werden.


Aus Pflegeheimen werden Eigentumswohnungen

Die gegenwärtige Situation lässt Heimbetreiber bereits ernsthaft darüber nachdenken, in nächster Zukunft ihre Gebäude in Eigentumswohnungen umzubauen. Wolfgang Lesnjak ist seit 30 Jahren Obmann des Pflegeheims Providentia in Klagenfurt. „Wir sind eine gemeinnützige Einrichtung, verfügen über 67 Betten und arbeiten mit niedrigsten Führungskosten. Auch wir sind, wenn sich die finanzielle Lage nicht rasch ändert, von einer Schließung bedroht. Die Talfahrt der Finanzierung war absehbar, aber die Politik hat zugesehen und sah keinen Handlungsbedarf.“ Sollte es kein Einlenken geben, dann „steht im Raum, das wir unseren Betrieb schließen und als Appartements adaptieren.“ Damit dies nicht Realität wird, fordert auch er ein sofortiges Handeln der Landesregierung ein. „Wir brauchen eine Perspektive.“ Für die Politik müssten bei solchen Überlegungen die Alarmglocken läuten, dauert es doch von der Konzeption bis zur Eröffnung eines Alten- und Pflegeheimes im Schnitt zumindest drei bis fünf Jahre.


Pflege-Nahversorgung am Land gefährdet

Auch für familiengeführte und kleinere Heime in ländlichen Regionen ist ein Fortbestand ob der aktuell angespannten finanziellen Lage oft nicht mehr tragbar, die Pflege-Nahversorgung außerhalb der Ballungszentren massiv gefährdet. Lotte Lettner hat Ende 1996 die Seniorenheimstätte Sekirn am Wörthersee mit 58 Betten eröffnet. Vor sechs Jahren hat die 67-jährige diese an ihre Tochter und ihren Schwiegersohn übergeben. Ohne Lettners Arbeitskraft könnte der Betrieb nicht aufrechterhalten werden. „Unter den aktuellen Umständen ist eine wirtschaftliche Fortführung für maximal zwei Jahre gegeben. Wir haben keine Möglichkeit, Rücklagen für die Sanierung des Hauses zu bilden. Dabei wären viele Arbeiten dringend nötig.“ Auch sie ist von der Politik enttäuscht. „Die soziale Kälte der Regierung in Bezug auf die Betreuung und Pflege unserer alten Menschen ist mehr als bedenklich. Es wird vorhergesagt, dass bis zum Jahr 2040 ein Anstieg der betagten und hochbetagten Menschen, die auf fremde Pflege anwiesen sein werden, um 58 % Realität sein wird. Nur bis dahin wird es wahrscheinlich gar keine Pflegeheime mehr geben.“ 



Rückfragen:
Wirtschaftskammer Kärnten
Sparte Tourismus und Freizeitwirtschaft
Fachgruppe der Gesundheitsbetriebe
Guntram Jilka
05 90 904 – 610
guntram.jilka@wkk.or.at

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