Energiewende: Steiniger Weg für die Kärntner Wirtschaft
Die Offensivstrategie der Wirtschaftskammer Kärnten für eine rasche und standortstärkende Energiewende zeigt erste Erfolge. Dennoch sind die heimischen Unternehmen über das Tempo und das ganzheitliche Verständnis dieses Wandelprozesses besorgt.

Wenn in Tagen wie diesen die Temperaturen zweistellige Minusgrade anzeigen, dann sind die Sorgenfalten von Kärntens Unternehmer groß. Egal in welcher Branche – die Betriebe sind durch die steigenden Energiekosten schwer belastet. Kärnten sei zwar bilanziell, also bei der Jahresenergieproduktion des Stroms, noch gut aufgestellt, im Winter aber könne man den Verbrauch nicht decken und man müsse zukaufen. Diese Lücke gilt es nun rasch mit dem Ausbau der erneuerbaren Energie zu schließen. „Denn nur so bleibt der Wirtschaftsstandort Kärnten auch künftig konkurrenzfähig“, war man sich heute bei der Pressekonferenz zum Thema „Energiewende: Steiniger Weg für die Kärntner Wirtschaft“ einig.
Energiepreiskrise als reale Bedrohung für den Lebensstandort Kärnten
Seit März 2022 weist die Wirtschaftskammer auf die reale Bedrohung des Wirtschafts- und Lebensstandortes Kärnten durch die europäische Energiepreiskrise hin. Gleichzeitig hat die WK ein umfassendes Maßnahmenpaket vorgelegt, das die Abhängigkeit von ausländischem Öl und Gas zugunsten regionaler erneuerbarer Energiequellen in überschaubaren Zeiträumen massiv reduziert und gleichzeitig die heimische Wertschöpfung drastisch steigert. Der 1. Kärntner Energiegipfel der WK mit den Spitzen der Landespolitik stellte Ende Juli die Weichen für eine Vereinfachung der Behördenverfahren, mittlerweile liegen konkrete Vorschläge für eine „Taskforce erneuerbare Energie Projekte“ vor, die behördliche Genehmigungen spürbar beschleunigen soll. „Gemeinsam mit der Industriellen Vereinigung Kärnten haben wir uns stark dafür gemacht und freuen uns sehr, dass diese Stelle, angesiedelt in der Abteilung 8, installiert wurde und künftig abteilungsübergreifend agieren wird“, unterstrich Meinrad Höfferer, Direktor der Wirtschaftskammer Kärnten. Jetzt gelte es Projekte auszugleisen und Unternehmer bestmöglich bei der Einreichung zu unterstützen. Da es für die Bearbeitung und Beschleunigung der Verfahren auch Ressourcen brauche, wurden im Land Kärnten drei neu Planstellen geschaffen.
Auch die Kärntner Investitions- und Konjunkturkonferenz vor zehn Tagen bestätigte neuerlich eindrucksvoll, wie sehr die hohen Energiepreise allen Branchen unter den Nägeln brenne. Dazu kommt der in den kommenden Jahren absehbar zunehmende Stromverbrauch, der durch die Umstellung von Heizsystemen, die Digitalisierung und den Trend zur E-Mobilität begründet und gravierend ist: Der Wirtschaftsstandort Kärnten wird bis zum Jahr 2030 um 50 % mehr an elektrischer Energie verbrauchen als heute. Dementsprechend groß ist der Handlungsdruck, betrachtet man die Ausgangssituation: Kärnten hat entgegen immer wieder geäußerten politischen „Fake News“ zu wenig Energieproduktion mit der zeitlichen Komponente einer Klimaneutralität bis zum Jahr 2040 für alle Energieformen oder der elektrischen Energie mit 100 % erneuerbarer Energie bis zum Jahr 2030.
Industrie will umsetzen
Für alle Kärntner Unternehmen sind die Zeiten sehr herausfordernd. So auch für jene in der Industrie. „All unsere Betriebe sind hochgradig innovativ und möchten ihre gute Position im internationalen Vergleich halten. Daher brauchen wir ein rasches, einfaches und umfassendes Bewilligungsverfahren“, unterstrich Michael Velmeden, Spartenobmann der Industrie in der Wirtschaftskammer Kärnten und Industrieller (CMS). Die höheren Energiepreise untergraben sukzessiv die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. „Wir sehen die Gefahr der Deindustrialisierung“, warnte Velmeden. Auf regionaler Ebene fordere er raschere Genehmigungen für den Ausbau der Erneuerbaren Energie. Die Unternehmen wollen bei schnellen, nachvollziehbaren und bürokratisch einfachen Möglichkeiten der Energieproduktion ihr eigenes Kapital einsetzen. „Die Industrie will tun und umsetzen, man muss uns nur lassen.“ Photovoltaik auf Freiflächen solle auch kein Tabu mehr sein. Ferner seien die Netze zu ertüchtigen und das werde ohne sichtbare Leitungen und Leitungsbau nicht möglich sein. Ein wichtiger Punkt sei außerdem das Thema der Energielenkung. „Ungeplante Abschaltungen ohne ausreichende Vorlaufzeit würden Industrieanlagen und Investitionen zerstören und den Wirtschaftsstandort erheblich gefährden“, so der Spartenobmann. Eines ist klar: Nur mit strategischen Weichenstellungen und kluger Vernetzung lässt sich die Position der Kärntner Industrie sichern und ausbauen.
Energieverbrauch im Tourismus ist enorm
Auch der Tourismus, der stark für die regionale Wertschöpfung verantwortlich ist, weist auf die schwierige Energiesituation hin. Kärntner Seilbahnunternehmen etwa verfügen bereits über die nötige Infrastruktur am Berg. Mit vergleichsweise geringen Eingriffen in die Natur könnten Wind- und Photovoltaik-Anlagen errichtet werden – für die regionalen Stromversorger der eigenen Anlagen als auch für die gesamte Gastronomie und Hotellerie am Berg. Tourismusunternehmer Christoph Neuscheller: „Der Energieverbrauch von Beherbergungsunternehmen ist enorm. Es geht bei manchen ums Überleben. Es kann nicht sein, dass man, um die Energiekosten stemmen zu können, einen Kredit aufnehmen muss. Die Kostenbelastung ist inzwischen überproportional existent. Mir ist es unverständlich, dass man Lösungen, die in der Luft liegen oder vom Himmel scheinen nicht umsetzt.“ Man solle die Energiewende bestmöglich nutzen. Die Flexibilität rette viele Unternehmer. Wenn ein durchschnittliches Hotel etwa alle Dachflächen für erneuerbare Energien nütze, könne es lediglich 20 % des Energieverbrauches abdecken. Daher benötigen Hotellerie-Unternehmen mehr und weitere rechtliche Möglichkeiten sich selbst helfen zu können – im energietechnischen Sinne, wie etwa Flächenwidmungen, die nicht Industrie und Gewerbe aufweisen.
Energielücke gehört geschlossen
Herwig Draxler, Leiter der Abteilung Wirtschaftspolitik in der Wirtschaftskammer Kärnten, forderte die „Energielücke‘“ zu schließen. Neben Windkraft und Photovoltaik/Solarthermie sind Wasserkraft und die Nutzung der Netzinfrastruktur zwei weitere wichtige Alternativen. Der Wind etwa könne im Winter die jahreszeitliche Stromgewinnung aus Wasserkraft ausgleichen. Auch eine Novellierung des Kärntner Raumordnungsgesetzes ist dringend notwendig: „Die Windkraftstandorträumeverordnung und die Kärntner Photovoltaikanlagenverordnung sind verantwortlich dafür das Kärnten hier Schlusslicht ist. In keinem anderen Land ist die Sichtbarkeit von Windkraftanlagen auf bis zu 25 km Entfernung Ausschließungsgrund für den Windkraftausbau. “Für Draxler ist aber auch klar, dass man sich von dem Mythos, man könne die Energieerzeugung nur auf den Dächern parken, verabschieden muss. Man benötige den richtigen Energiemix, Verbrauch und Produktion müssen im Gleichklang sein. Er fordere mehr politischen Mut. Es gehe auch um Standortsicherung, die in weiterer Folge Arbeitsplätze und auch das Einkommen sichere. Die aktuelle Geschwindigkeit der Umsetzung und die reale Auseinandersetzung mit der Anpassung der gesetzlichen Rahmenbedingungen sei für eine moderne Wirtschaft schlichtweg zu langsam. Draxler und auch Höfferer sehen mit der Installation der „Taskforce erneuerbare Energie“ Licht am Ende des „Energietunnels“.
Dass es mit der Kärntner Wirtschaft steil bergauf geht, belegen auch die aktuellen Zahlen, die von der Statistik Austria erhoben wurden. Im abgelaufenen Jahr erzielte das südlichste Bundesland trotz Corona-Krise mit einem Plus von 7,3% das höchste Wirtschaftswachstum in ganz Österreich.
Rückfragen:
Wirtschaftskammer Kärnten
Mag. Herwig Draxler
T 05 90 90 4-220
E herwig.draxler@wkk.or.at