Dry Port Fürnitz: Chance auf Schiene
Jahrzehntelang lag Kärnten am Eisernen Vorhang zu Jugoslawien, von innerösterreichischen Verkehrsverbindungen wie der Tauern- oder Südautobahn eher zögerlich erschlossen. Jetzt rückt das Land Stück für Stück in die Mitte Europas und könnte die seit jeher beschworene „Drehscheibenfunktion“ im Alpen-Adria-Raum tatsächlich einnehmen.

Die Dardanelles Seaways liegt fest vertäut im Hafen von Triest. In wenigen Stunden wird das 193 Meter lange und 26 Meter breite Frachtschiff in Richtung des türkischen Hafens Tuzla auslaufen. Nach einer klaren, für den Laien allerdings völlig undurchschaubaren Ordnung rollen Zugfahrzeuge Sattelauflieger auf das Schiff, andere werden gleichzeitig weggeschleppt. Mehr als 250 auf vier Schiffsebenen werden es sein, wenn der Roll-on-Roll-off-Frachter (Ro-Ro) seine mehr als 60-stündige Reise beginnt. Mehrere solche Schiffe pendeln nach einem fixen Fahrplan zwischen Triest und der Türkei und bilden für Frächter und Güter eine attraktive Alternative zur langen Fahrt auf der Straße.
Auf der anderen Seite des Terminals, der Molo Settimo, wird zur gleichen Zeit die Maersk Houston gelöscht. Die elf baugleichen Frachter der H-Serie mit Namen von Hamburg über Hong Kong und Hanoi bis Havanna sind mehr als 350 Meter lang und fassen mehr als 15.000 Zwanzig-Fuß-Container (TEU, sechs Meter lang) oder 7500 Vierzig-Fuß-Container (FEU, zwölf Meter lang). Hier kann Triest einen seiner großen Vorteile ausspielen: Der Naturhafen ist 18 Meter tief, das geht sich sogar für die H-Klasse mit 15 Metern Tiefgang aus.
Koper und Triest als Tore zur Welt
Für Österreich und auch für Kärnten sind der von Kaiser Karl VI. im Jahr 1719 gegründete und vor Kurzem 300 Jahre alt gewordene „Port of Trieste“ und sein deutlich jüngerer Konkurrent und Partner „Luka Koper“, nur wenige Autominuten entfernt in Slowenien, die Tore zur Welt. Für beide spricht, dass die Strecke in die Obere Adria für Waren, die über den Suez-Kanal Kurs auf die Wirtschaftsmacht Europa nehmen, um 4200 Kilometer und sechs Tage kürzer ist als der Umweg über Gibraltar und den Ärmelkanal in den Norden nach Hamburg oder Rotterdam. Und selten ist Zeit so viel Geld wie beim Frachtverkehr.
Investitionen als Chance für Kärnten
Zwei Milliarden Euro will die Triestiner Hafenverwaltung mithilfe von Investoren in den kommenden Jahren in die Infrastruktur investieren, um für die neue Seidenstraße nach China gerüstet zu sein. Mehr als 400 Züge im Monat verbinden den Hafen Triest schon jetzt mit den Industriegebieten in Nordostitalien und dem Hinterland in Zentraleuropa. Und hier tut sich die Chance für Kärnten auf, genauer: für den Verschiebebahnhof Fürnitz und das angrenzende Logistik Center Austria Süd (LCA Süd). Weil in Triest schlicht der Platz für einen weiteren Ausbau der Aktivitäten und Tonnagen fehlt, versucht Kärnten seit zehn Jahren, den italienischen Behörden die Bahn- und Verladeinfrastruktur in Fürnitz als „Dry Port“ zur Verzollung der über Triest angelieferten Waren schmackhaft zu machen – bisher mit überschaubarem Erfolg.
Doch die nachhaltige Standortdiplomatie von Wirtschaftskammerpräsident Jürgen Mandl, von den österreichischen Ministerien über die Österreichischen Bundesbahnen bis hin zur Alpen-Adria-Wirtschaftskammer, deren Vorsitz Kärnten führt, könnte nun Früchte tragen: Wie Vittorio Tobianelli von der Triestiner Hafenbehörde beim Besuch einer Kärntner Unternehmerdelegation kürzlich überraschend verkündete, seien die technischen Vorarbeiten für den Zollkorridor abgeschlossen. „Damit kann das höchstens 120 Tage dauernde Behördenverfahren starten, noch in diesem Jahr könnte die Genehmigung vorliegen“, freuten sich neben Mandl auch die LCA-Geschäftsführer Udo Tarmann und Julia Feinig-Freunschlag.
Für das Logistikcenter, aber auch für den Raum Villach wäre diese Aufwertung ein entscheidender Schritt: Enorme europäische Warenströme würden in Fürnitz verzollt, auf Güterzüge verteilt und über die Tauernstrecke, die Baltisch-Adriatische Achse oder nach Süden umweltschonend weitertransportiert. Mandl: „Eine große Chance, die Kärnten vom Schienentransitland tatsächlich zur Handelsdrehscheibe im Alpen-Adria-Raum machen würde, mit allen positiven Auswirkungen auf regionale Wertschöpfung, Arbeitsplätze – und aufgrund der Verlagerung von Verkehr von der Straße auf die Schiene auch auf das Klima.“ (PS)